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Raubkunst? Der Welfenschatz unter Verdacht

13. Mai 2009

Die Rückgabe von Kirchners "Straßenszene" aus dem Berliner Brücke-Museum an die jüdischen Erben ist noch in guter Erinnerung, da sorgt der kostbare "Welfenschatz" für Unruhe. Er ist möglicherweise NS-Raubkunst.

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Eine Goldikone mit heiligen Demetrios aus dem Welfenschatz im Kunstgewerbemuseum in Berlin. (Foto: dpa)
Goldikone mit dem heiligen DemetriosBild: picture-alliance/ dpa

Im Berliner Kunstgewerbemuseum, wo sich der Schatz befindet, ist man schockiert und auch in der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Dort allerdings beschäftigt man sich schon seit einem Jahr mit dem Fall: Im April 2008 erhielt Vizepräsident Norbert Zimmermann Post von einem Marburger Anwalt. Dessen Mandanten - in den USA lebende Erben jüdischer Kunsthändler aus Frankfurt - forderten den Welfenschatz zurück. Dieser sei ihren Angehörigen 1935 vom NS-Staat abgepresst und an die Preußischen Museen verkauft worden. Norbert Zimmermann reagierte erschüttert: "Die Nachricht hat mich erschreckt, weil es das absolute Highlight unserer Museen ist. Das würde mir nicht anders gehen, wenn Nofretete zurückgefordert würde."

Fair und gerecht

In der Frage der Provenienzforschung und Rückgabe von belastetem Kunstgut gilt die Stiftung mit ihren Museen als Musterknabe unter den deutschen Institutionen. Mit dem Washingtoner Abkommen von 1998 über den Umgang mit NS-Raubkunst hat die Bundesrepublik sich verpflichtet, in den staatlichen Museen und Sammlungen nach solchen Kunstwerken zu suchen. Ohne Rücksicht auf Fristen sollten "faire und gerechte" Lösungen für die Rückgabe gefunden werden. Die Preußen-Stiftung hatte in den vergangenen Jahren Zweifelsfälle ihrer Sammlungen öffentlich gemacht und zahlreiche Werke zurückgegeben, darunter Zeichnungen von van Gogh, ein Hauptwerk von Caspar David Friedrich und vieles mehr.

Typischer Zwangsverkauf?

Besucher betrachtet im Kunstgewerbemuseum in Berlin ein Kuppelreliquiar aus dem Welfenschatz. (Foto: dpa)
Wunderwerk KuppelreliquiarBild: picture-alliance/ dpa

Der Welfenschatz umfasst mehr als 40 Einzelobjekte. Prachtstücke sind ein Kuppelreliquiar aus Köln von 1180 oder der reich verzierte Braunschweiger Kopf des heiligen Blasius aus dem 14. Jahrhundert. Ihre Geschichte und der Weg in die Berliner Museen hielt man für ausreichend erforscht und publiziert, nachzulesen im Preußen-Jahrbuch 1986. Dort ist auch der Erwerb der Stücke für die damaligen Preußischen Museen 1935 erwähnt, dargestellt als Geschäft unter gleichberechtigten Partnern. Im Licht der neuen Dokumente wird er jedoch zum Zwangsverkauf, einem typischen Vorgang jener Zeit.

Günstig erworben

So fand der Marburger Anwalt der Erben, Markus Stoetzel, Akten über den Kauf, die belegen, dass der damalige NS-Reichsminister Hermann Göring ein vitales Interesse daran hatte, den Welfenschatz als "nationales Kulturheiligtum" für das Deutsche Reich aus Privatbesitz zurückzugewinnen. Für günstige 4,25 Millionen Reichsmark konnte das Konvolut schließlich für das Kunstgewerbemuseum erworben werden. Doch der Nachweis, ob auch dieses Geld bei den 1935 bereits mit Berufsverbot belegten Kunsthändlern, die ihre Emigration vorbereiteten, jemals angekommen ist, fehlt. Anwalt Stoetzel: "Aus den Unterlagen, die wir kennen, ergibt sich über die Jahre 1935/36 nirgendwo der Hinweis darauf, dass ein so hoher Betrag auch nur einem der Kunsthändler zugeflossen ist."

Restitution nicht auszuschließen

Besucher betrachten im Kunstgewerbemuseum in Berlin die Armreliquiare des Welfenschatzes. (Foto: dpa)
ArmreliquiarBild: picture-alliance/ dpa

Das ist die Kernfrage, mit der sich seit einem Jahr auch die Justitiare der Stiftung Preußischer Kulturbesitz beschäftigen. Zu lange, angesichts des hohen Alters einiger Erben, meint Anwalt Stoetzel. Er machte den Fall daher öffentlich. Für Ende Mai hat Stiftungs-Vize Norbert Zimmermann den Erben jetzt eine abschließende Stellungnahme angekündigt. Die Quellenlage sei kompliziert. Die bekannt gewordenen Fakten sind jedoch deutlich: Der Welfenschatz wurde offensichtlich unter Zwang verkauft. Die Haltung der Stiftung für einen solchen Fall stellt Norbert Zimmermann klar: "Ein Werk, wo ich bekennen muss, als deutsches staatliches Museum, es hat einen derartigen Erwerbszusammenhang, das kann ein Museum nicht ohne rot zu werden in seinen Räumen ausstellen."

Eine Rückgabe lässt sich also nicht ausschließen. Die Frage ist, wie sich die Stiftung mit den Erben einigen kann. Möglicherweise verliert das Berliner Kunstgewerbemuseum also bald sein wertvollstes Exponat.

Autorin: Sigrid Hoff
Redaktion:Cornelia Rabitz