Benin-Bronzen: Nigerianische Delegation in Berlin
9. Juli 2021Im nigerianischen Benin City laufen die Planungen für das neue "Edo Museum of West African Art" auf Hochtouren. Das EMOWAA soll Kunstwerke aus dem einstigen Königreich Benin, die sich derzeit in internationalen Sammlungen befinden, wieder zusammenführen und die wechselhafte Geschichte rund um diese Artefakte erforschen und erklären. In den vergangenen Monaten haben immer mehr europäische Institutionen angekündigt, die während der Kolonialherrschaft erbeuteten Kunstwerke an Nigeria zurückzugeben. Auch deutsche Museen wollen ab 2022 restituieren.
Für Nigeria wird das EMOWAA viel mehr als nur ein Ausstellungsort sein: Es markiert das Ende eines über 100 Jahre dauernden Kampfes um seine historischen Kunstschätze. Es symbolisiert die Rückgewinnung seiner kulturellen Identität: "Viele Nigerianer haben diese Objekte in ihrem Leben noch nie gesehen", sagt Abba Isa Tijani, Direktor der Nigerianischen Kommission für Museen und Denkmäler (NCMM). "Es wird wirklich eine große Errungenschaft in ihrem Leben sein."
Abba Isa Tijani ist Teil der nigerianischen Delegation, die dieser Tage in Berlin war, um die Details zur Rückgabe der nigerianischen Kunstschätze aus deutschen Sammlungen zu besprechen. Die Delegation, der neben Tijani auch Kulturminister Lai Mohammed angehörte, traf in Berlin unter anderem auf Außenminister Heiko Maas, Andreas Görgen vom Auswärtigen Amt, Staatsministerin Monika Grütters sowie Hermann Parzinger, den Direktor der Stiftung Preußischer Kulturbesitz.
Konkret drehten sich die Gespräche um die Rückgabe der sogenannten Benin-Bronzen - Skulpturen und Reliefs aus Bronze und Messing sowie Artefakte aus Elfenbein -, die 1897 bei einer britischen Strafexpedition aus dem Palast in Benin-City geraubt wurden. Über Auktionen in London gelangten sie Anfang des 20. Jahrhunderts nach Deutschland, das sich so die weltweit zweitgrößte Sammlung dieser Bronzen sicherte.
Es klebt nachweislich Blut an diesen Objekten. Sie stammen aus einem sogenannten kolonialen Unrechtskontext. Niemand in Deutschland bestreitet das mehr und Museumsfachleute wie Politiker sind sich einig, dass die Objekte an ihr Ursprungsland zurückgegeben werden müssen. Doch bis dahin war es ein langer Weg: Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts hatte das einstige Königreich Benin Rückgabeersuche gestellt - ohne Erfolg. Afrikanische Intellektuelle nahmen den Kampf in den 1970er-Jahren wieder auf, doch in Europa stießen ihre Forderungen auf taube Ohren. Erst Emmanuel Macrons Besuch in Burkina Faso 2018 markierte einen Wendepunkt: Der französische Präsident kündigte an, dass Frankreich seine kolonialen Kunstschätze zurückgeben werde und gab einen Statusbericht in Auftrag.
"Lange Zeit war das ein blinder Fleck in unserer Erinnerungskultur"
Der schlug auch in Deutschland Wellen, wo die Kritik am Berliner Humboldt Forum immer lauter wurde, da man dort plant, einige Benin-Bronzen prominent zu seiner Ausstellungseröffnung zu präsentieren. Dadurch hat "das Thema koloniale Vergangenheit mit ihren Folgen für das Heute unglaublich an Fahrt aufgenommen und macht sich jetzt auch in der breiten Bevölkerung bemerkbar", bestätigt Monika Grütters im Gespräch mit der DW. "Lange Zeit war das ein blinder Fleck in unserer Erinnerungskultur", so die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien weiter.
Um für mehr Transparenz zu sorgen, hat die Bundesregierung im Juni 2021 eine Online-Plattform freigeschaltet, auf der nach und nach alle Objekte aus deutschen Sammlungen digitalisiert werden - ein wichtiger Schritt, denn damit Restitution erfolgen kann, müssen die Rückgabeersuche per Verbalnote erfolgen. Standort und Exponat müssen darin klar benannt werden. Da aber ein Großteil der mehr als 1000 Exponate nie ausgestellt wurde, war das bis dato ein schier unmögliches Unterfangen für das heutige Nigeria.
Rückgabe ab 2022
In Berlin verständigte man sich jetzt darauf, dass die Bronzen Stück für Stück ab kommenden Jahr restituiert werden sollen. "Wenn sie alle Objekte auf einmal nach Nigeria zurückbringen, hinterlassen sie ein Vakuum und das wollen wir nicht", so Direktor Tijani von der Nationalen Museumskommission. "Die Benin-Bronzen sind zu globalen Objekten geworden, an denen viele Menschen auch in Deutschland hängen." Man strebe daher eine starke Partnerschaft an, damit Deutschland "nicht ohne Zugang zu diesen Artefakten zurückgelassen wird".
Der Ostteil des Humboldt Forums, in dem die Benin-Bronzen gezeigt werden sollen, eröffnet voraussichtlich erst im Frühjahr 2022. "Das lässt uns noch ein bisschen Zeit", so Hermann Parzinger, Direktor der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die über die größte Sammlung an Bronzen innerhalb Deutschlands verfügt. "Unser Wunsch ist klar: Wir würden gerne weiterhin Originale der Kunst aus Benin im Humboldt Forum und auch in anderen deutschen Museen zeigen." Wie und welcher Form müsse man noch klären. Aber an dem Vorhaben, die Restitution der Objekte im kommenden Jahr zu beginnen, halten alle Parteien fest.
Das langersehnte neue Museum in Benin City, mit dem der britisch-ghanaische Architekt David Adjaye beauftragt wurde, wird bis dahin noch nicht fertiggestellt sein. Allerdings erwartet man, bis Herbst 2022 einen großen Pavillon erbaut zu haben, der zur Aufbewahrung dienen und durch seine gläserne Struktur Besuchern auch schon Einblicke auf die bis dahin zurückgegeben Stücke bieten soll. Zudem ist das Bauvorhaben mit einem archäologischen Ausgrabungsprojekt verbunden. Museum und Pavillon werden nämlich auf den Ruinen des ursprünglichen Königspalasts von Benin City errichtet.
Die neuen Bauten sollen sich einfügen in die traditionelle Architektur Afrikas: "Wir verbauen geschliffene Ziegel, wie sie das Edo-Volk [in der Region ansässige Ethnie, Anm. d. Redaktion] verwendet", erklärt Abba Isa Tijani von der Nigerianischen Museumskommission. "Zudem soll es reichlich Interaktion mit der Gemeinde vor Ort geben: etwa ein Bildungszentrum, das Familien dazu einlädt mit den Objekten zu interagieren, sie anzufassen und etwas über ihre Geschichte zu lernen." Tijani hofft auch, dass das Museum die Region aufwerten und Touristen anlocken wird. Bislang gilt Benin City als Drehkreuz für den Menschenhandel.
Deutschland beteiligt sich mit 4,5 Millionen Euro am Bau des innovativen Projekts. Im Herbst dieses Jahres steht ein weiteres Treffen zwischen Deutschland und Nigeria an - und damit ein weiterer Schritt auf dem langen Weg zur Restitution.