Rastloser Krisenmanager
20. August 2003Vieira de Mello wusste um die Schwere seiner Aufgabe im Irak. Wenige Wochen nach Beginn seiner Arbeit sprach er von einer "bizarren Lage", in der er sich in Irak befinde. Für zwei UN-Mitgliedstaaten - gemeint waren die USA und Großbritannien - spiele er hier nur die zweite Geige. Seine Hauptaufgabe sah er darin, die Interessen des irakischen Volkes gegenüber den von den USA geführten Besatzungsmächten zu vertreten.
Nach dem Irak-Krieg und der Entmachtung von Saddam Hussein sollte de Mello das irakische Volk bei der Bildung einer "international anerkannten, repräsentativen Regierung" unterstützen. Dabei musste er damit rechnen, von Teilen der irakischen Bevölkerung ebenso feindselig behandelt zu werden wie die Amerikaner. Sein Engagement hat der ranghöchste Vertreter der Vereinten Nationen in Irak mit dem Leben bezahlt.
Internationale Erfahrung
Der 55-jährige de Mello brachte für die heikle Mission in Bagdad ideale Voraussetzungen mit. Er war in vielen Ländern Europas, Afrikas und Lateinamerikas sowie bei Menschenrechtsorganisationen hoch angesehen. Der mehrsprachige Diplomat war bereits bei UN-Friedensmissionen in Bangladesch, Sudan, Mosambik, Peru und Libanon durch sein diplomatisches Geschick und als Mann des Ausgleichs aufgefallen. Während des Balkan-Krieges 1994 leitete er die Zivilverwaltung der UN-Schutztruppe in Bosnien. Ein Höhepunkt seiner Laufbahn war die Überwachung des Friedensprozesses und der ersten freien Wahlen im vergangenen Frühjahr in Ost-Timor.
Im September 2002 wurde de Mello von der UN-Vollversammlung für vier Jahre als Menschenrechtsbeauftragter gewählt. Als Annan ihn nach Bagdad entsandte, wurde sein Einsatz dort auf vier Monate begrenzt. Im September sollte er sich wieder ganz der Aufgabe als Menschenrechtsbeauftragter widmen.
Diplomat für die Menschenrechte
Mit einem Doktortitel der berühmten Pariser Universität Sorbonne in der Tasche trat de Mello 1969 seinen Dienst bei den Vereinten Nationen an. Seine 'Lehrzeit' bei der UNO absolvierte er beim Flüchtlings-Hochkomissariat (UNHCR) in Genf. Als UN-Kommissar setzte er sich für die "universelle Gültigkeit" der Menschenrechte ein - auch wenn er, ganz Diplomat, einräumte, dass diese wegen der kulturellen und historischen Unterschiede zwischen den Nationen unterschiedlich verstanden werden könnten.
Vor seiner Entsendung nach Bagdad ließ de Mello eine vorsichtige Distanz zu den USA erkennen. Zu Kriegsbeginn am 20. März bezeichnete er die Vereinigten Staaten als "Besatzungsmacht". Bei der Einnahme Bagdads am 9. April hatte er sich "tief beunruhigt" über die zunehmende Zahl ziviler Opfer gezeigt. (mik)