Rassismus-Welle nach dem Brexit
1. Juli 2016Seit dem Referendum vor einer Woche habe die Polizei 331 Vorfälle gezählt, die unter die Kategorie "Hassverbrechen" fielen, berichtete die britische Tageszeitung "The Times". Damit hätten sich die Vorfälle mehr als verfünffacht. Zuletzt seien pro Woche durchschnittlich 63 Verbrechen registriert worden, hieß es.
Die Kriminalität richte sich vor allem gegen Migranten, erklärte die Vorsitzende des zuständigen Polizeirats, Sara Thornton. So hätten die Täter ausländische Mitbürger beschimpft, körperlich angegriffen und fremdenfeindliche Kommentare in den sozialen Netzwerken und auf Flugblättern verbreitet. Thornton betonte, die Polizei werde diese Entwicklung im Blick behalten. Bereits in der Vergangenheit habe es nach politischen Entscheidungen einen Anstieg von Hasskriminalität gegeben. Meist hätten sich die Zahlen jedoch schnell wieder auf das vorherige Niveau reduziert.
Appell der Kirche
Unterdessen appellierten führende britische Religionsvertreter - darunter das Oberhaupt der anglikanischen Kirche und der Vorsitzende der katholischen Bischofskonferenz - an die britische Gesellschaft, die durch das Brexit-Votum entstandene Unsicherheit nicht zu kompensieren, indem man nach Sündenböcken suche. Angst dürfe nicht dazu führen, Fremden mit Misstrauen und rassistischen Vorurteilen zu begegnen, schreiben die Religionsführer in einem Brief an die "Times". Jeder Einzelne müsse versuchen, die Schuld nicht bei anderen zu suchen.
Die seit 2012 ansteigende Migration beeinflusste viele Briten, bei dem Referendum über den Verbleib in der EU mit "Nein" zu stimmen. Das Prinzip der Freizügigkeit erlaubt es allen EU-Bürgern, in der gesamten Union nach Arbeit zu suchen.
Deutliche Worte aus Brüssel
"Das wird sich nicht ändern", stellte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in Bratislava klar. Am Rande von Gesprächen mit der slowakischen Regierung betonte Juncker, London müsse alle vier europäischen Grundfreiheiten akzeptieren, wenn es weiter von den Vorteilen des Binnenmarktes profitieren wolle. Soll heißen: Wenn die Briten weiterhin Zugang zum gemeinsamen europäischen Markt haben wollen, dürfen sie die Zuwanderung aus der EU nicht beschränken. Das ist für viele britische Wähler aber eine der Grundvoraussetzungen, die ihre Regierung in den Beratungen mit der EU über ihren Austritt aushandeln soll.
nin/rb (dpa, afp, kna)