"Rassismus dulde ich nicht"
7. Mai 2015Eigentlich sollte Miriam Schöps während ihres Freiwilligendienstes in der Dominikanischen Republik den Ökotourismus im Süden des Landes fördern. Doch das Projekt lief nur schleppend an. Für die Abiturientin aus Bonn gab es nichts zu tun. Auf der Suche nach einer Aufgabe ging sie zu einer nahegelegenen Schule in der Hafenstadt Barahona. Dort war man begeistert von ihrer Idee, Fußballunterricht für Mädchen anzubieten.
"Ich wollte gegen die gängigen Geschlechterrollen ankämpfen und den Schülerinnen mehr Selbstvertrauen vermitteln", sagt Schöps. Dominikanische Frauen seien ihren Männern untergeordnet, sie dürften keine Widerworte geben und kümmerten sich meist um die Kinder und den Haushalt. "Ich wollte zeigen, dass es auch anders geht", erklärt die heute 21-Jährige, die selbst von klein auf Fußball spielt und in ihrem Heimatverein schon mehrere Jahre eine Mädchenmannschaft trainiert hatte.
Steine sammeln fürs Training
Um die Schülerinnen zu motivieren, ging Schöps in die Klassen und machte einen Aushang. Doch als sie zur ersten Trainingseinheit auf den Sportplatz kam, war weit und breit kein Mädchen zu sehen. Sie wurde nervös: "Vor mir standen zwanzig Jungs. Ich hatte super Angst, dass die mich nicht ernst nehmen und machen, was sie wollen." Aber ihre Sorgen waren schnell verflogen als sie merkte, wie sehr sich die Schüler über das Sportangebot freuten.
"Wir hatten nur einen Ball und keine Hütchen oder andere Übungsmaterialien", erzählt Schöps. "Vor dem Training haben wir Steine gesammelt, um die Tore oder einen Parcours zu markieren." Mit einem Sportlehrer organisierte sie Spiele gegen andere Schulen. "Einmal haben wir sogar ein richtiges Turnier veranstaltet." Nach einiger Zeit gab Schöps viermal die Woche nachmittags Training und half am Morgen den Lehrern im Sportunterricht. Nur leider, sagt sie, seien ihre Versuche, auch die Mädchen zum Fußballspielen zu animieren, erfolglos geblieben.
Zuschauer wollen mitspielen
Schnell sprach sich rum, wie sehr sich die junge Deutsche für die Schüler ins Zeug legte. Schöps bekam viel Unterstützung von Lehrern und Eltern, die sich dafür einsetzten, dass die Kids eine städtische Sportanlage mit großen Toren benutzen durften und sich nicht mehr länger beim Training auf dem Betonplatz der Schule die Knie aufschlugen. "Es hat großen Spaß gemacht, zu sehen, dass etwas ins Rollen kommt", sagt Schöps.
Außerhalb des Schulgeländes bekam ihr Einsatz als Fußballtrainerin eine neue Tragweite. "Beim Training im großen Sportpark standen oft haitianische Jungs am Zaun und schauten zu", erzählt Schöps. "Irgendwann bin ich zu ihnen hingegangen und habe gefragt, ob sie mitspielen wollen." Sie wusste um das gespaltene Verhältnis zwischen Dominikanern und Haitianern und nutzte die Gelegenheit, zu vermitteln.
Eine Insel voller Gegensätze
Zwar teilen sich die Dominikanische Republik und Haiti die Insel Hispaniola, die zusammen mit Kuba, Jamaika und Puerto Rico zu den Großen Antillen gehört und zwischen Karibik und Atlantik liegt. Jedoch gibt es immense Unterschiede in der Entwicklung beider Staaten, die Lebensbedingungen driften weit auseinander. Während die dominikanische Wirtschaft vom Tourismus profitiert, ist Haiti das ärmste Land Lateinamerikas.
Die Dominikanische Republik ist für die Menschen aus dem verwahrlosten Nachbarland daher vermeintlich ein Paradies. Seit Generationen suchen Haitianer auf der anderen Seite der Grenze Arbeit. Während der Ernte auf den Zuckerohrplantagen nimmt man sie gerne als billige Hilfskräfte, als Mitbürger möchte man sie aber nicht. "Für mich war es ein Schock, zu sehen, wie Haitianer in der Dominikanischen Republik diskriminiert und beschimpft werden", sagt Schöps.
"Sowas will ich nicht mehr hören"
Umso überraschter sei sie gewesen, wie gut das gemeinsame Fußballtraining funktioniert habe. "Am Anfang haben sich die Dominikaner ein bisschen geärgert, weil die Haitianer viel besser mit dem Ball umgehen konnten", erzählt Schöps. In der Dominikanischen Republik werde überwiegend Baseball gespielt. Haiti hingegen sei ein fußballbegeistertes Land. "Nach ein paar Wochen haben sich dann aber sogar erste Freundschaften untereinander entwickelt", freut sie sich.
Nur ganz selten sei es auf dem Fußballplatz zu Streitereien und Beleidigungen gekommen. "Dann habe ich mir denjenigen vorgeknüpft und gesagt: 'Rassismus dulde ich hier nicht, du entschuldigst dich und gehst nach Hause. Wenn du nächstes Mal wiederkommen möchtest, will ich sowas nicht mehr hören'." Schöps sagt dies auch Monate später in ihrer Studenten-WG-Küche in Bonn noch mit einem Nachdruck, der keinen Zweifel an der Wirkung ihrer Standpauke lässt.
Fußball baut Vorurteile ab
Irgendwann sei beim Training ein Mann auf sie zugekommen. „Er erzählte, dass er auch als Trainer arbeite und den Fußball im Land fördere.“ Er habe ihr seine Unterstützung angeboten. "Das hat mich total gefreut, auch für die Jungs", sagt Schöps. Manche Spieler seien zu einem Talenttag eingeladen worden. "Einige Haitianer haben dadurch sogar einen Aufenthaltsgenehmigung für die Dominikanische Republik bekommen", erzählt sie.
Der Sport, findet Schöps, habe unheimlich geholfen, zu vermitteln und Vorurteile abzubauen. Auch wenn es ihr nicht gelungen sei, die Mädchen für den Fußball zu begeistern, hoffe sie, dass sie zumindest den Schülern als Trainerin ein anderes Frauenbild vermitteln konnte, als sie es von zu Hause kannten. "Es ist schwierig innerhalb eines Jahres Denkmuster zu ändern", sagt sie. "Aber es ist immerhin schon mal ein kleiner Schritt, dass die Jungs zusammen Fußball gespielt haben, ohne sich dauernd an die Gurgel zu springen."