Rassismus auf dem Wohnungsmarkt
18. November 2013"An Ausländer wird nicht vermietet!" So deutlich sagte es ein Vermieter zu Aysegül Acar (Name von der Redaktion geändert), als sie auf der Suche nach einer neuen Wohnung vor seiner Tür stand. Die Bonnerin ist vor über 30 Jahren aus der Türkei nach Deutschland gekommen. Sie mag das Land, sagt sie, fühle sich hier heimisch.
Aber wenn Sie über ihre Erfahrung bei der Suche nach einem neuen Zuhause berichtet, klingt sie resigniert: "Ich bin in Deutschland dreimal umgezogen. Bei jeder Wohnungssuche habe ich schlimme Erfahrungen gemacht. Aus Sicht der deutschen Vermieter war ich einfach nicht geeignet: Ich habe einen falschen Nachnamen, ich habe einen Akzent und das falsche Aussehen", erklärt Bach.
So klar wie es Aysegül Acar zu hören bekam, passiert es zwar selten. Dennoch fühlt sich die Mehrheit der Migranten in Deutschland bei der Wohnungssuche diskriminiert. Dies ergab vor zwei Jahren eine repräsentative Befragung von knapp 10.000 Menschen mit Migrationshintergrund durch den Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration.
Besonders diskriminiert: Muslime und Schwarzafrikaner
Zur Miete wohnen ist in Deutschland Alltag. Laut Statistischem Bundesamt tut dies über die Hälfte der Bevölkerung. In Großstädten wie Berlin und Hamburg sind es sogar acht von zehn Menschen. Gerade in solchen Ballungszentren ist Wohnraum häufig knapp und dadurch begehrt. Die Vermieter können aus einem ganzen Pool von Bewerbern den "Passenden" heraussuchen. Weniger wohlhabende Menschen wie Alleinerziehende, Arbeitslose oder Studenten fallen dabei häufig durchs Raster. Auch rassistische Gründe können dazu führen, dass ein Wohnungsbewerber nicht genommen wird.
Muslimische Frauen mit Kopftuch und Schwarzafrikaner treffe die Diskriminierung besonders häufig, erklärt Birte Weiß von der Beratungsstelle Basis&Woge: "Wenn Leute aus diesen beiden Gruppen bei einer Wohnungsbesichtigung auftauchen, heißt es von Vermieterseite oft 'tut mir leid, die Wohnung ist schon vergeben.'"
Basis&Woge in Hamburg ist Anlaufstelle für Opfer von Diskriminierung. Etwa jeder Fünfte, der in die Beratungsstelle kommt, wurde bei der Wohnungssuche diskriminiert. Der Verein bietet in solchen Fällen vor allem in juristischen Fragen Hilfe an. Denn das Recht ist in Deutschland klar auf Seite der Betroffenen. "In Deutschland darf niemand aufgrund seiner Herkunft, seines Geschlechts oder seiner Rasse benachteiligt werden. Geregelt ist dies im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz und gilt auch bei der Wohnungssuche", erklärt Christine Lüders, Leiterin der Anti-Diskriminierungsstelle des Bundes im DW-Gespräch. Sie gibt allerdings zu, dass es oftmals schwierig sei, Diskriminierung nachzuweisen. Denn häufig sprechen die Vermieter nicht offen aus, dass sie die Bewerber wegen ihrer Herkunft ablehnen. Stattdessen werden andere Gründe vorgeschoben.
Eine Wohnung für "Herrn Schulz"
Auch Aysegül Acar war sich lange nicht sicher, ob es an ihrer Herkunft liegt oder ob sie bei der Wohnungssuche schlicht Pech hatte. Dies klärte sich erst, als ihr Sohn eine Idee hatte. "Nachdem ich am Telefon wieder einmal eine Absage bekommen habe, habe ich mit meinem Sohn eine Wette abgeschlossen. Er spricht akzentfrei deutsch, also hat er bei derselben Nummer ein paar Minuten später angerufen. Allerdings unter falschem Namen, er hat sich als Herr Schulz ausgegeben." Und tatsächlich hätte man ihm gesagt, dass die Wohnung frei sei und er einen Besichtigungstermin haben könne.
"Testing" nennt sich dieses Vorgehen im Fachjargon. "Das Ziel ist nachzuweisen, dass Bewerber mit Migrationshintergrund anders behandelt werden", so Birte Weiß von Basis&Woge. Wenn ein solcher Nachweis gegeben sei, könne man rechtliche Schritte einleiten. Zumindest in der Theorie.
Geringe Chancen vor Gericht
In der Praxis kommen die wenigsten Fälle vor Gericht, trotz eindeutiger Gesetzeslage, der Unterstützung durch Organisationen und Verfahren wie Testings, denn solche Gerichtsverfahren wurden sich sehr lange hinziehen, sagt Sebastian Busch. Er hat als Anwalt in der Vergangenheit Betroffene vor Gericht vertreten."Das heißt, selbst wenn die Leute eine Wohnung zugesprochen bekommen, ist es viel zu spät für sie nach der Entscheidung", erklärt Busch.
Auch Aysegül Acar hat von einer Anzeige abgesehen. Schnell eine Wohnung zu bekommen war ihr wichtiger als ein langwieriges Gerichtsverfahren. Letztendlich hat sie es auch geschafft, ein neues Zuhause zu finden, in dem sie sich wohl fühlt. Ein fahler Beigeschmack bleibt allerdings bei ihr zurück, denn kein Deutscher wollte sie als Mieterin. Die Wohnung, in der sie jetzt wohnt, gehört einem Spanier.