Rasierer-Hersteller kreuzen die Klingen
29. August 2016Gillette und Wilkinson Sword - wer sich schon einmal rasiert hat, kommt an diesen beiden Marken nicht vorbei. Hinter ihnen stehen die US-Konzerne Procter & Gamble und Edgewell, die schätzungsweise 80 Prozent des gesamten Nassrasierermarktes in ihrer Hand halten. Doch inzwischen rücken immer mehr Mitspieler in dieses Segment vor, denn es gilt als besonders lukrativ.
Wie viel Potenzial in der Nassrasur steckt, macht das Beispiel Dollar Shave Club klar. Als der Konsumgüterkonzern Unilever Ende Juli die Übernahme dieses Rasierer-Start-ups aus Kalifornien ankündigte, ging ein Raunen durch die Branche. Eine Milliarde US-Dollar, umgerechnet 885 Millionen Euro, will der britisch-niederländische Konzern, den man von Marken wie Dove oder Axe kennt, Gerüchten zufolge dafür hinblättern. Der Preis entspräche dem Fünffachen von dem, was das 2012 gegründete Unternehmen in diesem Jahr als Umsatz eingeplant hat.
Wachstumsmarkt Herrenkosmetik
Verrückt? Nicht unbedingt, meinen Experten. Die Investition könnte sich schon bald auszahlen, glaubt das Analysehaus Bernstein Research. Denn Männerpflege ist schon lange kein zartes Pflänzchen mehr. Die Marktforscher Euromonitor und Bloomberg Intelligence beziffern das Umsatzvolumen weltweit auf mehr als 47 Milliarden US-Dollar. Mit durchschnittlichen Wachstumsraten von 3,3 Prozent wachse das Herrensegment schneller als der allgemeine Kosmetikmarkt.
Ausgesprochen lukrativ ist dabei der Bereich Rasierer. Die französische Investmentbank Société Générale schätzt, dass Branchenriese Procter & Gamble dank seiner Marktmacht auf Gewinnmargen von 40 Prozent und mehr kommt. Das merken auch die Verbraucher. Denn während sie den Rasierer selbst noch recht günstig bekommen, verlangen die Hersteller für die Ersatzklingen umso mehr.
Der Klingen-Preis ist daher auch das Thema, an dem die Konkurrenz ansetzt. Um die Hälfte günstiger oder mehr sind die Eigenmarken der Drogerieketten. Rossmann und dm bauen seit Jahren ihre Sortimente kontinuierlich aus und das nach eigenen Angaben mit Erfolg. "Wir sind mit der Entwicklung sehr zufrieden", heißt es bei Rossmann. Auch deutsche Start-ups wie Mornin' Glory oder Shave-Lab werben damit, dass die Kunden Geld sparen, weil beispielsweise Händlerkosten wegfallen oder teure Werbung. Wer sich einmal online registriert hat, bekommt die Klingen im Abo zugeschickt - je nach Rasierrhythmus und Bartwuchs einmal im Monat oder seltener.
Die Großen werden nervös
Ein relativer Neuling auf dem Feld ist Beiersdorf. Nach ersten Testläufen in Deutschland und Österreich plant der Nivea-Hersteller nun, sein Rasierer-Sortiment weiter auszurollen. Anfängliche Qualitätsprobleme habe man inzwischen im Griff, betonte Beiersdorf-Chef Stefan Heidenreich kürzlich bei der Halbjahresbilanz. Das würden auch die Kunden honorieren. Bislang sind die Hamburger nur mit Damen-Rasierern am Start - auch "um den Löwen (Gillette) nicht gleich zu sehr zu reizen", wie Heidenreich betonte. Doch das muss nicht so bleiben. "Wir haben auch noch nicht alles gezeigt, da ist noch einiges zu erwarten."
In Cincinnati, dem Firmensitz von Procter & Gamble, beobachtet man das Gebaren der Konkurrenten genau und lässt nach Bedarf auch schon mal die Muskeln spielen. Im vergangenen Jahr hatte der Konzern Patentklage gegen genau jenes Start-up eingereicht, das nun von Unilever einverleibt wurde. Für Warren Ackerman von der Société Générale ist das ein Zeichen, dass die Amerikaner zunehmend nervös werden. Zumal in der Branche bereits gemunkelt wird, dass die Wilkinson-Mutter Edgewell demnächst geschluckt werden könnte. Im Gespräch ist auch hier Beiersdorf. Der Konzern wäre aus Sicht von Ackerman ein geeigneter Käufer, nicht nur wegen der Rasierer, sondern auch wegen der Sonnencremes (Banana Boat, Hawaiian Tropic) und anderer Pflegeartikel von Edgewell. Die Hamburger halten schon seit längerem Ausschau nach Übernahmekandidaten, wollen allerdings auch keine Mondpreise zahlen. Zukäufe im Schönheitssektor sind derzeit aber sehr teuer.