"Unruhen beeinträchtigen die Wirtschaft"
13. Januar 2014Suthep Thaugsuban, Wortführer der Proteste gegen die Regierung, will mit dem für Montag (13.01.2014) angekündigten "Shutdown" die für den 2. Februar angesetzten Wahlen verhindern und die Regierung um Ministerpräsidentin Yingluck Shinawatra zum Rücktritt zwingen.
Die Demonstranten beschuldigen Ministerpräsidentin Yingluck der Korruption und sehen in ihr nicht mehr als eine Marionette ihres Bruders Thaksin, der als Ministerpräsident 2006 durch einen Putsch gestürzt worden war. Sie verlangen die Einrichtung eines nicht gewählten "Volksrats", der vor der nächsten Wahl Reformen in die Wege leiten soll. Die Krise dauert seit November an und hat einige der größten Demonstrationen in der Geschichte des Landes ausgelöst.
DW: Welche Wirkung könnte der "Shutdown" Bangkoks auf das Land haben?
Rajiv Biswas: Das Risiko neuer Gewalt und erneuter Zusammenstöße zwischen Polizei und Demonstranten ist hoch. Wenn die Gewalt in den nächsten Wochen zunimmt, wird ein Militärputsch zur Stabilisierung der Lage wahrscheinlicher. Tatsächlich glauben manche Unterstützer der Regierung, dass die Opposition versucht, einen Militärputsch zu provozieren. Wenn es zu einem Putsch kommen sollte, würde das wahrscheinlich zu noch mehr Gewalt führen, da sich die sogenannten Rothemden versammeln würden, um die dann gestürzte Regierung zu unterstützen.
Welche Auswirkungen haben die politischen Unruhen auf die Wirtschaft des Landes?
Die politischen Unruhen haben bereits eine deutliche Auswirkung auf die wirtschaftlichen Erwartungen für 2014. Es kommt vermutlich zu einer Verminderung des Binnenkonsums und der Investitionen. Die Proteste sind zu einem Zeitpunkt aufgetreten, da die thailändische Wirtschaft ohnehin an Schwung verloren hatte. Die 6,5 Prozent Wachstum aus 2012 sind im dritten Quartal 2013 auf 2,7 Prozent gefallen.
Die thailändische Regierung selbst hat ihre Vorhersagen für das Bruttoinlandsprodukt für 2014 von bis zu fünf Prozent auf drei Prozent reduziert. Die Hauptursache dafür sind die politischen Unruhen, die etwa Infrastrukturprojekte verzögern.
Wie wirkt sich die Lage des Landes auf die wichtige Tourismusindustrie aus?
Die Tourismusindustrie, die etwa sieben Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausmacht, hat stark unter den Protesten und der Gewalt in Bangkok gelitten. Viele Regierungen haben Reisewarnungen ausgesprochen. Internationale Touristen bleiben aus. Singapore Airlines zum Beispiel hat die Zahl der wöchentlichen Flüge nach Bangkok reduziert.
Welche anderen Bereiche der thailändischen Wirtschaft sind betroffen?
Sollte das Zentrum Bangkoks von den Demonstranten lahmgelegt werden, wird das zu deutlichen Verlusten in Bangkok führen. Insbesondere die Bank- und Finanzindustrie, die überwiegend in der Hauptstadt angesiedelt ist, würde leiden. Ausländische Direktinvestitionen werden sich bis zum Ende der Krise ebenfalls reduzieren.
Der Agrarsektor, der ein zentraler Bestandteil der thailändischen Wirtschaft ist, wird wenig betroffen sein. Die produzierende Industrie, die von großer Bedeutung für den Export ist, wird ebenfalls nur wenig betroffen sein. Straßen und Häfen, also die Infrastruktur, blieben bei den vergangenen Protesten weitgehend unangetastet. Agrar- und Produktionssektor sind stabil, zumindest solange die Proteste an Intensität nicht stark zunehmen.
Wie können internationale Konzerne, die in Thailand ansässig sind, reagieren?
Internationale Konzerne sollten angemessene Vorsichtsmaßnahmen treffen. Sie sollten sich darauf vorbereiten, ihre Produktionsstätten vorübergehend schließen zu müssen, ihre Mitarbeiter zu unterstützen und Alternativen zu entwickeln, um mögliche Produktionsausfälle innerhalb von Lieferketten zu kompensieren.
Inwiefern könnte die Wirtschaft betroffen sein, wenn bis Mitte des Jahres keine handlungsfähige Regierung im Amt ist?
Zur Zeit ist die thailändische Regierung blockiert. Die Behörden sind derzeit nicht in der Lage, die Wirtschaftspolitik zu gestalten. Und es hat nicht den Anschein, dass es in den nächsten Monaten eine neu gewählte Regierung geben wird.
Im besten Fall wird Thailand von einer Übergangsregierung regiert, die allerdings nicht in der Lage sein wird, wichtige politische Entscheidungen zu treffen oder grundsätzliche Reformen anzustoßen. Sollte es einen Militärputsch geben, wird diese Ungewissheit wahrscheinlich noch länger andauern.
Eine Lösung ist nicht in Sicht?
Obwohl die thailändische Wirtschaft in den letzten Jahren bei politischen Unruhen erstaunliche Widerstandsfähigkeit bewiesen hat, besteht bei der tiefen Spaltung der Gesellschaft die Gefahr von dauerhaften Unruhen oder, wie gesagt, einem Militärputsch. Selbst wenn es einer Übergangsregierung gelingen sollte, die Unruhen zu beenden, ist das noch keine Lösung zur Überbrückung der tiefen Gräben.
Die politische Instabilität kann kurzfristig die Erwartungen an die thailändische Wirtschaft beeinträchtigen. Bei einer so unsicheren wirtschaftlichen Zukunft werden sich ausländische Investitionen zweimal überlegen, ob sie in Thailand investieren.
Rajiv Biswas ist Direktor und Chefökonom für Asien-Pazifik bei dem Thinktank IHS.
Das Interview führte Gabriel Dominguez.