"Radikal lebendig bleiben" - Schriftsteller Michel Houellebecq wird 60
Berühmt wurde er mit dem provokanten Roman "Elementarteilchen". Aber der französische Skandalautor Michel Houellebecq hat noch andere Obsessionen als zu schreiben, wie seine künstlerischen Fotografien beweisen.
Der Provokateur
Nicht nur das Rauchen gehöre zu seinen zahlreichen Obsessionen, wie Michel Houellebecq gern in Interviews erzählt. Sein erstes Buch war 1992 ein Gedichtband mit dem Titel "Suche nach dem Glück", seine eigene Biografie hatte ihm bis dahin wenig Antworten gegeben. Doch dann kam der Debütroman "Ausweitung der Kampfzone" (1994), der ihn zum Shootingstar der französischen Literatur machte.
Abgründe, alles verschluckend
Seine Gedichte und auch die Romane haben häufig einen morbiden Unterton, seine Poesie ist voller Brüche und Abgründe. Und so fotografiert Michel Houellebecq auch: Er entdeckt neben dem Schönen, Wahren, Guten schnell auch die Abgründe, die sich manchmal nur wenige Meter daneben auftun. Brutale Perspektive, hier eine seiner künstlerischen Fotografien.
Sein Frankreich-Bild
Eine Ausstellung im Pariser Palais de Tokyo zeigte 2016 mehrere Bilder von ihm, die schlicht den Titel "Frankreich" trugen. Hier eine Auffahrt zu einem Strand an der Atlantikküste. Die Tristesse des heutigen Frankreichs, auch Thema seiner Bücher, ist in seinen Fotografien bestimmendes Thema: Vorstadt-Ghettos, Zahlstellen von Autobahnen, graue Asphaltstraßen, leere Parkplätze.
Sandwüste
Die Öde menschenleerer Regionen, wie hier auf dem Foto "Espagne #009", fasziniert Houellebecq immer wieder aufs Neue. Ob es die Unwirtlichkeit sozialer Betonburgen in den Vorstädten von Paris ist oder die Kargheit einer Landschaft in Nordspanien, er findet fast malerische Perspektiven mit der Kamera. Eine Facette seiner Schaffenskraft, die kaum jemand kennt.
Vielschichtigkeit der Farben
Auch die Farbwelten seiner künstlerischen Fotografien sind voller Tristesse, in allen Schattierungen eher gedeckter Farbtöne - im Gegensatz zu seinen grellen literarischen Veröffentlichungen. Ihn fasziniere die "Poesie des Ekels" hat er mal in einem Interview mit der "Neuen Zürcher Zeitung" gesagt. Poetische Zwischentöne sind auch in diesen Fotografien seine Handschrift.
Grellbunte Alltagswelt
21 Räume, 2000 Quadratmeter: Besucher der Pariser Ausstellung konnten damals den ganzen Bilderkosmos von Michel Houellebecq entdecken. Der Schriftsteller liebt auch knallige, aufdringlich farbintensive Aufnahmen von Werbeflächen: Exaltiert, schrill, wie man ihn als Bestsellerautor kennt. Ein Klischee, mit dem sich seine Bücher umsatzstark verkaufen lassen.
Skandalumwittertes Buch
Viele seiner Bücher riefen - nicht nur in Frankreich - heftige Diskussionen hervor: Michel Houellebecq schreibt äußerst provokant über Sex-Tourismus, Islamfeindlichkeit, Homophobie. Das Erscheinen seines Romans "Unterwerfung" fiel 2015 mit den Terroranschlägen auf das Pariser Satiremagazin Charlie Hebdo zusammen.
Poetische Andacht
Es ist stiller um den Schriftsteller geworden. Die Ereignisse nach dem Attentat auf die Redaktion des Satireblattes Charlie Hebdo - mit Morddrohungen auch an seine Adresse - haben ihn zeitweise verstummen lassen. Seine Fotografie "Arrangement #011" (Baryth auf Aluminium) lässt eine ganz andere Seite des Autors erahnen, als die provokante, laute, für die er bekannt geworden ist.
60 Jahre alt und schweigsamer
Michel Houellebecq hält sich mittlerweile mit Äußerungen zurück. Die Morddrohungen gegen ihn, die Debatten um seine Bücher haben ihn nachdenklich gemacht, sagte er in einem Interview 2016. Nun gibt er keine Interviews mehr - zumindest vorläufig. Auch nicht zu seinem 60. Geburtstag am 26. Februar 2018.