Quo vadis, Arafat?
16. September 2003In einer emotional geführten Nahost-Debatte im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen haben sich die Diplomaten zahlreicher Staaten gegen die von Israel angedrohte Ausweisung des
palästinensischen Präsidenten Jassir Arafat gewandt. In der offenen Aussprache meldeten sich in der Nacht zum Dienstag (16.9.2003) die Vertreter von mehr als 40 Staaten zu Wort. Nahezu alle verurteilten die jüngsten Erklärungen Israels, wandten sich aber auch gegen die neuerlichen Terroranschläge militanter Palästinenser.
Illegal und verrückt
Der palästinensische Vertreter bei den Vereinten Nationen, Nasser el Kidwa, warnte Israel vor jedem Versuch, Arafat auszuweisen oder gar zu töten. Dies wäre "ein illegaler und verrückter Akt" und würde "ein Ende der palästinensischen Autonomiebehörde und des Friedensprozesses" signalisieren, sagte El Kidwa in New York. Er verließ demonstrativ den Raum, als der israelische UN-Botschafter Dan Gillerman zu sprechen begann.
Im Mittelpunkt der Sitzung stand der Entwurf einer Resolution, mit der Israel zur Aufhebung des Ausweisungsbeschlusses gegen den palästinensischen Präsidenten Jassir Arafat aufgefordert werden sollte. Arabische Staaten hatten am Freitag (12.9.2003) vom Sicherheitsrat verlangt, Israel in einer Resolution völkerrechtlich verbindlich aufzufordern, "von allen Drohungen gegen den gewählten Präsidenten der Palästinenserbehörde Abstand zu nehmen".
Dazu wird es wohl so schnell nicht kommen, denn die USA lehnen eine derartige Resolution ab. Die USA würden keiner Nahost-Resolution zustimmen, in der nicht auch Terrorakte palästinensischer Organisationen wie der Hamas deutlich verurteilt und die Zerschlagung der terroristischen Infrastruktur verlangt werden, machte US-Botschafter John Negroponte deutlich. Dennoch betonte der UN-Sicherheitsrat, dass "eine Entfernung des Vorsitzenden Arafat nicht hilfreich wäre und nicht umgesetzt werden sollte". Arafat sei "demokratisch gewählt und daher der legitime Führer der Palästinenser", sagte Larsen in New York. Das sehen die Israelis allerdings anders.
Isolation oder Liquidierung
Trotz weltweiter Kritik hat die israelische Regierung ihre harte Haltung gegenüber Palästinenserpräsident Jassir Arafat bekräftigt. Als Alternative zu einer Ausweisung schlug Vizeregierungschef Ehud Olmert am Sonntag (14.9.2003) eine vollständige Isolation Arafats unter Haftbedingungen in seinem Amtssitz vor. Eine weitere Option sei die "Liquidierung" des Palästinenserführers. "Wir versuchen, alle Anführer des Terrors zu eliminieren, und Arafat ist einer dieser Anführer des Terrors."
Alternativ gebe es die Möglichkeit einer völligen Isolierung Arafats. Man könne ihn gefangen halten wie einen "Häftling im Turm", sagte Olmert. Seine Telefonate würden elektronisch gestört, zwei Mal am Tag bekäme er etwas zu essen, aber es gäbe für ihn keine Kontakte nach draußen mehr. "Das ist die Denkweise und die Handlung der Mafia und nicht einer Regierung", kommentierte der palästinensische Chef-Unterhändler Saeb Erekat die Äußerungen.
Israelische Politiker gespalten
Gillerman bezeichnete es als Heuchelei, dass der Sicherheitsrat sich mit einem israelischen Beschluss über Arafat befasse, nicht aber mit palästinensischen Selbstmordanschlägen. Die palästinensische UN-Delegation verlangte von den Vereinten Nationen Sicherheitsgarantien für Arafat.
Der Sicherheitsrat müsse umgehend einschreiten, wenn ein UN-Mitglied illegale Handlungen begehe, erklärte der palästinensische UN-Gesandte Nasser el Kidwa. Der israelische Außenminister Silvan Schalom (Foto) hatte vor Beginn der Sitzung den Regierungsbeschluss zur "Entfernung" Arafats abgeschwächt. Eine Tötung, wie vom stellvertretenden Ministerpräsidenten Ehud Olmert erklärt, "ist keine offizielle Politik der israelischen Regierung", so Schalom.
Zankapfel Arafat
US-Außenminister Colin Powell (Foto) hat die von Israel geplante Ausweisung oder gar eine Tötung Arafats nachdrücklich abgelehnt. "Die USA unterstützen weder seine Beseitigung noch ein Exil für Herrn Arafat, ... das weiß auch die israelische Regierung", sagte Powell dem Fernsehsender "Fox News". "Ich glaube, Sie können sich die Wut in er ganzen arabischen Welt, der moslemischen Welt und vielen anderen Teilen der Welt vorstellen." Arafat wird jedoch weder von den USA noch von Israel als Gesprächspartner akzeptiert.
Israel wirft dem Palästinenser-Präsidenten vor, die Gewalt im Nahen Osten anzuheizen. Obwohl die USA diese Einschätzung teilen, befürchten sie, dass der 74-Jährige im Exil an Einfluss gewinnen könnte. "Es gibt in diesem Saal nicht einen einzigen Diplomaten, der nicht im privaten Gespräch zugeben würde, dass Arafat ein Hindernis für eine friedliche Lösung ist", provozierte denn auch prompt Israels UN-Botschafter Gillerman den Sicherheitsrat. (arn/mas)