Queen stellt Mays Regierungsprogramm vor
21. Juni 2017Keine Kutsche, keine Staatsrobe, keine Krone - im Tageskleid verlas die Queen die Regierungserklärung von Premierministerin Theresa May. An ihrer Seite stand nicht wie sonst ihr Gatte Prince Philip, der erkrankt ist, sondern ihr Sohn Charles, der Prince of Wales. Der schlichtere Rahmen für die Thronrede spiegelte sowohl die Stimmung im Land wider als auch die der neuen Regierung. Denn angesichts der Zahl von Terroranschlägen und dem Hochhausbrand in London hatte die Königin festgestellt, dass die Bevölkerung bedrückt und dies wohl nicht der Zeitpunkt für den gewohnten zeremoniellen Pomp sei.
Und auch wenn die Regierung hier mutig ihr Programm verkünden ließ: Theresa May hat keine eigene Mehrheit, die Duldungsvereinbarung mit der nordirischen DUP verhandelt sie noch, ihre Pläne zum Brexit sind hoch umstritten und ihre politische Halbwertzeit gilt als begrenzt. Das zeigt sich auch daran, dass sie ihren Kabinettschef Damian Green in die morgendliche Politiksendung der BBC schickte, um sie zu verteidigen: "Theresa May hat ein starkes Pflichtgefühl. Jetzt ist es ihre Pflicht zu regieren." Sie selbst sprach von ihrer "Bescheidenheit und Entschlossenheit", weiterzumachen.
Volles Programm, fehlende Details
Dabei hält ihre Konservative Partei nur vorübergehend still. Unter der Oberfläche rumort es, weil die Mitglieder May als unheilbar geschwächte Führerin sehen. Die Labour-Opposition mit Jeremy Corbyn dagegen sieht sich gestärkt. Und die Differenzen über die Art des Brexits, den Großbritannien verfolgen soll, ziehen sich quer durch die Parteien.
Es gibt unglaublich viel zu tun. Deswegen soll diese parlamentarische Sitzungsperiode auch zwei statt wie üblich ein Jahr dauern. In dieser Zeit müssen 27 große Gesetzesvorhaben verabschiedet werden, im Mittelpunkt davon der sogenannte Great Repeal Bill. Das ist ein Gesetzespaket, mit dem zunächst EU-Recht in britisches Recht übernommen wird, um die Bestandteile dann schrittweise je nach Bedarf durch Einzelgesetze abzuschaffen. Ein kompliziertes Verfahren, in dem entsprechend der neuen Machtverhältnisse im Parlament jeder einzelne Schritt für Streit sorgen sein dürfte.
Die Thronrede enthielt zwar einen Hinweis darauf, dass Theresa May weiter auf einen sogenannten harten Brexit zusteuern möchte: "Großbritannien will eine eigene Handelspolitik", was die Mitgliedschaft im Binnenmarkt ausschließt. Der Text erwähnte auch Zuwanderung, internationale Sanktionen und Landwirtschaft als eigenständige Politikbereiche. Ansonsten aber fehlten Einzelheiten, konkrete Schritte und Hinweise auf die Verhandlungsstrategie mit der EU.
Die Queen darf zu all dem niemals ihre politische Meinung äußern - das gehört zu ihrer Rolle. Viele Beobachter mutmaßten allerdings angesichts der königlichen Kopfbedeckung im Parlament, die Europafarben könnten ein Kommentar zum Brexit sein.
"Wir wollen den bestmöglichen Deal für Großbritannien", hatte die Queen verlesen. "Wir haben keine Ahnung, was das bedeuten soll", erklärte dazu die führende Labour-Abgeordnete Yvette Cooper. Die Regierungserklärung sei dünn, sowohl zum Brexit als auch zur Innenpolitik. Wie wolle die Regierung die Krise der öffentlichen Dienstleistungen wie der Polizei nach den jüngsten Terroranschlägen bewältigen? Cooper kritisierte: "Die Regierung erkennt die veränderte Lage nicht an. Sie kann doch nicht einfach weiter machen wie bisher!"
Streit der Regionen
Am Vortag hatte Schatzkanzler Philip Hammond noch gewarnt, die Bedürfnisse der Wirtschaft und die ökonomische Stabilität müssten beim Brexit berücksichtigt werden. Das fand in dieser Regierungserklärung noch keinen Niederschlag. Stattdessen gab es einige vage Versprechen, die Industrie zu stärken, wie es seit Jahren auf dem Programm steht, für mehr Bildung, bessere Infrastruktur und ein besseres Gesundheitswesen. Die Finanzierung solcher Wohltaten blieb offen.
Besonders erwähnt wurde dagegen die Zusammenarbeit mit Wales, Schottland und Nordirland. Theresa May versprach, den Zusammenhalt der Regionen zu stärken. Dabei dürfte ihre Kooperation mit der nordirischen DUP eher als Sprengsatz wirken. Die Partei soll finanzielle Unterstützung für Nordirland in Milliardenhöhe zur Bedingung gemacht haben, um der Premierministerin die notwendige Mehrheit zu verschaffen. Das hat schon zu Protest und Ärger besonders bei den Schotten geführt.
Die Regierungserklärung wird mehrere Tage lang in allen Einzelheiten diskutiert und in der nächsten Woche zur Abstimmung gestellt. Das ist der Tag, an dem es für Theresa May ernst wird: Verfehlt sie die notwendige Stimmenzahl, stürzt ihre geschwächte Regierung in die Krise und es droht ein vorzeitiges Ende.