Geschichtsträchtige Stadt
3. Januar 2010'Fünfkirchen' haben jene Deutschen die Stadt genannt, die sich vor rund 300 Jahren in ihrem Umland ansiedelten. Gebildete Menschen müssen das gewesen sein, haben sie den Stadtnamen doch an eine frühere lateinische Bezeichnung des Ortes angelehnt. Die lautete 'Quinque Basilicae' und unterstrich im 9. Jahrhundert die Bedeutung einer von den Römern gegründeten Verwaltungshauptstadt. Denn fünf christliche Gotteshäuser, die konnte nun keineswegs jeder x-beliebige Ort vorweisen!
Römer, Türken, Deutsche
Von der Stadtmauer der römischen Siedlung hat man einen kleinen Abschnitt gefunden, erzählt Johann Habel. Der ist Historiker, Leiter des Pècser Lenau-Hauses und ein sogenannter Donauschwabe - also Nachfahre jener rund 150.000 Einwanderer, die im 17. und 18.Jahrhundert aus weiten Teilen des Habsburgerreichs in das ungarische Grenzgebiet nahe der Donau umsiedelten. Seinerzeit war die hügelige Region mit ihrem milden Klima einigermaßen entseelt. Denn gerade waren die Türken vertrieben worden waren, die hier beinahe 150 Jahre geherrscht und die Stadt Pécs nach ihrem Gusto umgebaut hatten. Seinerzeit, so erzählt Johann Habel, wurden beispielsweise die christlichen Kirchen in Moscheen umgewandelt oder abgerissen. "Und dann haben die Türken ganz neue Moscheen gebaut, Bäder gebaut, Koranschule, Hospital, also die Stadt und Leben hier nach ihrem Geschmack und nach ihren Traditionen eingerichtet."
Orient und Okzident
Damit haben auch sie ihren Beitrag zu dem Umstand geleistet, dass sich in Pécs verschiedenste Kulturen überlagern. Die Köpfe, die die muslimischen Türken von den Reliefs in Pécs monumentalem Dom abgeschlagen haben, weil der Koran derartige Darstellungen nicht erlaubt, sind allerdings längst wieder ergänzt worden. Und aus der Hauptmoschee der Stadt, die am schönen, einstmals mittelalterlichen Marktplatz aus den Steinen einer romanischen Kirche erricht worden war, ist recht schnell die Innerstädtische Pfarrkirche geworden. Aber deren Hauptmauer ist nach Mekka ausgerichtet. Und unter dem Kreuz auf der grünen Kuppel glänzt auch heute noch der islamische Halbmond.
Geschichtete Geschichte
"Die Stadt", sagt Landesmuseums-Direktorin Julia Fabanyi, "sieht auf 2000 Jahre zurück. Und die Stadt hat diese 2000 Jahre Denkmäler, kulturelles Erbe stets gepflegt und immer weiter geführt. Und Schicht für Schicht, so 80 zentimeterweise, trifft man so tausend Jahre wieder und dann noch mal tausend Jahre dazu."
Julia Fabanyi studierte wie Johann in Habel in Leipzig. Sie studierte die schönen Künste, während er sich eher mit den dunklen Kapiteln der Geschichte auseinandersetzte. Der Vertreibung der Pécser Juden etwa, von deren früherer Präsenz in der Stadt heute nur noch die schöne große Synagoge kündet. Vor allem aber hat Habel sich mit der Geschichte seiner eigenen Minderheit beschäftigt, mit den assimilierten Donauschwaben, die nach dem Zweiten Weltkrieg, unter der russischen Besatzung, als Kollaborateure und Nazis galten und ohne jede Prüfung nach Deutschland vertrieben wurden.
Stadt ohne Grenzen
Heute leben in Pécs und Umland noch etwa 14.000 deutschstämmige Menschen - Tür an Tür mit Ungarn, Kroaten, Bulgaren, Griechen, Armeniern, Serben, Slowenen, Ukrainern und Roma. Die Stadt wirbt mit ihrem multikulturellen Charakter und der Offenheit ihrer Bewohner, für die das Aufnehmen fremder Kulturen eine Selbstverständlichkeit sei. 2010 ist Pècs Kulturhauptstadt Europas. Das Bewerbungsmaterial, mit dem die Hauptstadt der Region Südwestungarn den Titel erworben hat, war überschrieben mit 'Pecs, eine Stadt ohne Grenzen'.
Autorin: Silke Bartlick
Redaktion: Sabine Oelze