EU lehnt Putins Thesen ab
18. März 2014Am Mittag waren viele Augen in Brüssel auf Moskau gerichtet. Auf vielen Fernsehern im Auswärtigen Dienst der EU, in der EU-Kommission, bei vielen Denkfabriken und Redaktionen der internationalen Medien lief die Rede des russischen Präsidenten Wladimir Putin zum Konflikt mit der Ukraine.
"Das war eine trotzige Rede und zeigt die aggressive Haltung Russlands", sagte die Sicherheitsexpertin Amanda Paul von der Denkfabrik "European Policy Centre" gegenüber der Deutschen Welle. Putins Vorwürfe, der Westen habe die Krise verursacht und sich unverantwortlich verhalten, kann Amanda Paul nicht nachvollziehen. "Der Westen und die EU haben versucht, so zu antworten, dass es zu einer Deeskalation oder einem Einlenken von Präsident Putin kommt. Das hat nicht funktioniert. Der Westen stützt sich auf internationales Recht und die territoriale Integrität eines Staates. Die Russen argumentieren genau so, aber leider ist die Auslegung des internationalen Rechts durch Russland total verschieden zu dem, was der Westen sieht." Russland sei ganz klar selbst verantwortlich für die Spannungen und die instabile Lage, die man in der Ukraine erlebe, analysiert die Sicherheitsexpertin.
EU: Putin handelt rechtswidrig
Die Sprecherin der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton wies die Aufnahme der Krim-Halbinsel in die Russische Föderation, die Präsident Putin am Mittag vertraglich besiegelte, als klaren Rechtsbruch zurück. "Es verstößt gegen internationales Recht. Es verstößt gegen die ukrainische Verfassung. Wir haben klar gesagt, dass wir das Krim-Referendum und die Annektierung der Krim nicht anerkennen und haben Russland aufgefordert, Verhandlungen mit der Ukraine aufzunehmen, um die Unabhängigkeit und Einheit der Ukraine zu wahren", sagte Maja Kochijancic vor der Presse in Brüssel.
Tiefer Graben zwischen Russland und Europa
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier, der sich ebenfalls in Brüssel aufhielt, setzte immer noch Hoffnung auf die Entsendung einer OSZE-Beoachter-Mission in die Ukraine. Die EU-Außenminister hätten eine klare Botschaft an Russland: "Wir akzeptieren die Abtrennung eines Landesteils der Ukraine nicht, weil sie völkerrechtswidrig ist."
Ebenfalls "nicht akzeptabel" nannte Bundeskanzlerin Angela Merkel die Aufnahme der Krim in die Russische Föderation. Merkel sei sich mit dem US-Präsidenten einig, dass damit die territoriale Integrität der Ukraine verletzt werde, sagte ihr Sprecher nach einem Telefonat der Kanzlerin mit Obama. Gleichzeitig hätten sowohl Merkel als auch Obama ihre Bereitschaft betont, weiter den Weg des politischen Dialogs mit Russland gehen zu wollen.
Der britische Außenminister William Hague bedauerte, dass Russland nun endgültig den Weg in die Isolation gewählt habe. Der polnische Premierminister Donald Tusk sagte, die Annexion der Krim durch Russland könne von der internationalen Gemeinschaft niemals hingenommen werden.
Sicherheitsexpertin Amanda Paul glaubt, dass Russland die Krim auf keinen Fall wieder herausgeben werde. Jetzt komme es darauf an, ein Zerfallen der Ukraine in einen russischen Ostteil und einen pro-europäischen Westteil zu verhindern. Wladimir Putin habe mit seiner Rede eine rote Linie überschritten: "Russland hat einen Graben so tief wie den Grand Canyon aufgerissen, um es einmal klar zu sagen. Die EU hat die drei Stufen festgelegt. Jetzt muss sie das auch machen und darf nicht aufgeben. Wladimir Putin hält seinen Kurs und darauf muss geantwortet werden, selbst wenn man fürchten muss, dass die Russen mit Gegenmaßnahmen reagieren."
EU-Gipfel könnte weitere Sanktionen beschließen
Bei ihrem lange geplanten Gipfeltreffen am Donnerstag (20.03.2014) in Brüssel könnten die 28 Staats- und Regierungschefs über die dritte Stufe von Sanktionen, nämlich spürbare Einschnitte beim Warenverkehr und Energieimporten, entscheiden. Am Montag hatten die EU-Außenminister Reiseverbote und Kontosperren für 21 Russen und Ukrainer beschlossen. Am Freitag soll dann zunächst nur der politische Teil des Assoziierungsabkommens der EU mit der Ukraine unterschrieben werden.
Der EU-Kommissar für Erweiterung, Stefan Füle, hatte in einerm Interview mit der Zeitung "Die Welt" angeregt, die Ukraine schnell als Vollmitglied in die Europäische Union aufzunehmen. Der ehemalige EU-Kommissar Günter Verheugen kritisierte im "Deutschlandfunk", das Angebot einer Vollmitgliedschaft für die Ukraine komme zu spät. "Man hätte der Ukraine diese Perspektive zumindest anbieten müssen, aber genau das ist nicht geschehen und das ist eine der Ursachen dafür, warum wir in diese Lage gekommen sind", sagte Verheugen.
Ukraine will nicht in die NATO
In seiner Rede hatte Wladimir Putin betont, Russland fühle sich vom westlichen Militärbündnis NATO bedroht, sollte die Ukraine jemals Mitglied der Allianz werden wollen. Diese Sorge hat ihm der ukranische Ministerpräsident Arseni Jazenjuk bereits genommen und gesagt, die Ukraine strebe keine Mitgliedschaft in der NATO an.
Die Sicherheit für die Ukraine sei trotzdem nicht ausreichend geregelt, mahnt die politische Analystin Amanda Paul: "Ungeachtet der Frage der NATO-Mitgliedschaft für die Ukraine bleibt die Sicherheit des Landes eine offene Frage. Es reicht nicht zu sagen, die Ukraine tritt der NATO nicht bei, und dann ist alles gut. In der Zukunft brauchen wir einen neuen Sicherheitspakt, den die NATO, Russland und die Ukraine gemeinsam aushandeln, um zu garantieren das so eine Situation wie jetzt nie wieder eintritt."
Russlands Präsident Wladimir Putin hatte von einem Machtvakuum in der Ukraine gesprochen, denn Russland erkennt die neue ukrainische Regierung nicht an. Nach russischer Lesart haben sich in Kiew Neo-Faschisten an die Macht geputscht.
Der außenpolitische Experte der FDP im Europäischen Parlament, Alexander Graf Lambsdorff, erklärte nach der Putin-Rede, der Anspruch Russlands, sich die alten Gebiete der untergegangenen Sowjetunion wieder einzuverleiben, sei neu. Das zeige, "dass es in der aktuellen Krise nicht nur um die Krim, sondern um die Friedens- und Stabilitätsordnung in ganz Europa geht." Trotzdem, so Lambsdorff, müsse Europa mit Russland im Gespräch bleiben. Denn der Frieden in Osteuropa könne nur mit Russland gesichert werden, niemals gegen Russland.