Stilbildend: Sportwagen-Design
3. Oktober 2018Das Düsseldorfer Museum Kunstpalast widmet ungewöhnlichen Objekten eine ganze Ausstellung: Berühmte Sportwagen aus den 1950er bis 1970er Jahren sind dort zu sehen. Die Formensprache und das außergewöhnliche Design dieser eleganten Sportkarrossen waren stilbildend für ganze Generationen von Autodesignern.
DW: Frau Til, Ihre aktuelle Ausstellung präsentiert 30 echte Autos jeweils auf einem Sockel, ausgeleuchtete wie die Objekte eines Bildhauers. Sind Sportwagen dieser Klasse Kunst?
Barbara Til: Ein ganz klares Ja. Sportwagen sind Kunst, weil sie extrem skulptural geformt sind. Und weil der Wille zur ästhetischen Gestaltung - gerade bei Sportwagen der oberen Klasse - zum zentralen Argument geworden ist.
Nach welchen Kriterien haben Sie die Auswahl für Ihre Ausstellung getroffen? Die Schönheit wird es vielleicht nicht allein sein, was die Aura dieser zum Teil weltberühmten Sportwagen ausmacht – oder?
Nein, es ist nicht nur die Schönheit, weil auch viele Autos dabei sind, die eher polarisieren. Nehmen wir einen Lamborghini Countach, der quasi den Endpunkt bildet in unserer Ausstellung . Das ist ein Auto, das ist so kantig und geometrisch und auch aggressiv martialisch, das finden die einen schön, die anderen finden es weniger schön. Aber es ist ein Auto, das eine ganz bestimmte skulpturale Linie hat. Die Form hat etwas genuines und ist damit stilbildend für spätere Automobile.
Design als Kulturgeschichte
Inwieweit haben diese Autos, die ja stilbildend gewirkt haben und oft kopiert und nachgebaut wurden, auch Design- und Kulturgeschichte geschrieben? Wie haben Sie die Ausstellung da zeitlich geordnet?
Den Beginn markiert der Cisitalia Berlinetta, der bereits 1946 entstanden ist und von keinem Geringeren entworfen wurde, als von dem italienischen Autodesigner Battista Pininfarina. Das ist ein Auto, das ist wirklich paradigmatisch für den Stil der 50er Jahre. Ein Sportwagen, wo erstmals die Kotflügel in die Karosserie integriert sind. Vor dem Zweiten Weltkrieg waren die Kotflügel fast immer angeschraubt. Auch die Lichter sind bei diesem Auto in die Front integriert.
Wir haben verschiedene Sportwagen, die dieses Stilmittel später aufnehmen. Die Autos, die wir in der Ausstellung zeigen, waren nicht nur stilbildend, sondern auch außergewöhnlich in den Details der Gestaltung und des Designs. Das kann z.B. eine besondere Motorhaube sein. Deswegen haben wir auch verschiedene Prototypen in der Ausstellung, um solche Entwicklungslinien aufzuzeigen.
Hatten italienische Designer wie z.B. Pininfarina, der für Ferrari und Alfa Romeo berühmte Sportwagen entworfen hat, in den 1950er/1960er Jahren eigentlich immer die Nase vorn beim internationalen Autodesign?
Ja natürlich. Turin, Bologna, und Maranello, das sind eigentlich in Norditalien die Hochburgen des erstklassigen Autodesigns schlechthin. Das gilt aber auch für Mode und Möbel- und Interieur-Design. Der Vorteil in Italien war, dass es dort viele kleine Manufakturen gab, viel stärker ausgeprägt als zum Beispiel in Deutschland.
Natürlich gab es in Deutschland auch interessante wichtige Designer, Uhlenhorst für BMW z.B., aber zweifellos sind die Italiener tonangebend gewesen. Und sie haben natürlich nicht nur ihre eigenen Autos entworfen, sondern auch für deutsche Automarken gearbeitet. Giugiaro beispielsweise hat den berühmten Golf für VW gestaltet.
Italien: Kaderschmiede des guten Designs
Wie sind die Entwürfe dieser italienischen Sportwagen entstanden? Sind die als Modell - wie Skulpturen - in der Werkstatt angefertigt worden, um zu sehen, wie die Formensprache wirkt?
Die Entwürfe sind sehr unterschiedlich entstanden. Es gab durchaus Designer, Franco Scalionege hörte dazu, die aus der freien Hand gearbeitet haben. Viele Entwürfe sind so aber entstanden, dass sie erst als Zeichnung am Reißbrett entworfen wurden, und dann wurden aus Holz die Modelle gebaut. Es gibt sehr unterschiedliche Herangehensweisen, aber es war immer sehr handwerklich und auch skulptural.
Warum haben Sie das begrenzt auf die 1950 bis 1970er Jahre? Gibt es später nicht mehr diese handwerkliche Arbeitsweise bei den Autodesignern?
Sicherlich sind die 1950 bis 1970 Jahre schlechterdings die goldene Zeit des Automobilbaus, insbesondere bei den Sportwagen. Aber dann kam die Ölkrise. Und die Produktion vieler Autos, die man noch als PS-starke und benzinschluckende Sportwagen konzipiert hatte, musste man erstmal ein Stück weit zurückstellen, vor allem in Deutschland, aber auch in Italien.
Und dann hat sich das Auto insofern weiterentwickelt, dass Sicherheits-Aspekte auch bei Sportwagen ganz maßgeblich wurden. Das ist wirklich eine große Zeit gewesen in den 50er bis 70er Jahren, wo alles im Design möglich war und wo keiner gefragt hat: Ist das jetzt verkehrssicher? Viele der Autos, die wir in der Ausstellung haben sind alles andere als sicher und extrem schwierig zu fahren. Da ist schon Könnerschaft gefragt.
Farbkompass durch die Jahrzehnte
Was für eine Design- und Kulturgeschichte erzählt Ihre Ausstellung? Die anfänglichen Sportwagen waren ja eher karg ausgestattet und unbequem. Heute sind Sportwagen absolute Luxusartikel.
Sie haben auch noch in den 1960er Jahren bis Anfang der 1970er diese sperrigen Autos, die so eckig und kantig daherkommen. Beispielsweise eine AC Shelby Cobra aus England ist so ein Auto aus den 60er Jahren. Das war ein echter Rennwagen und ein unglaubliches Kraftpaket, das aber sehr sparsam war. In der Ausstellung gibt es dann auch einen Ferrari California, der zwar wie ein Rennwagen aussah, aber luxuriös ausgestattet war. Das sieht man schon am Armaturenbrett.
Eine letzte Frage mit einem weiblichen Blick auf die Ausstellungsobjekte: Gibt es auch eine Geschichte der Farbgestaltung der klassischen Sportwagen? Gibt es historische Farben, die immer wieder auftauchten oder für eine Zeitepoche stehen?
Das ist schön, dass sie das ansprechen. Das ist natürlich ein ganz wichtiger Aspekt in unserer Ausstellung, das Thema Farbe. Man kann ohne Zweifel sagen, gerade in den 1950er Jahren sind es diese gedeckten Pastelltöne. Fröhliche helle Farben, aber gedeckt. Wir haben zum Beispiel einen wunderschönen Alfa Romeo in einem Himmelblau, das typisch ist für die 50er-Jahre.
In den 1960er und 1970er Jahren kommen die knalligen Farben auf. Die Sportwagen werden breiter, sehen aggressiver aus und die Farben werden extrem knallig: Orange, Giftgrün. Die grünen Porsche, die orangefarbenen Sportwagen von VW, all das waren Hingucker auf der Straße damals. Und das sind auch die Hingucker bei uns in der Ausstellung.
Wir haben versucht auch klarzumachen, was Farbe für die Wirkung so eines Sportwagens bedeutet. Deswegen haben wir auch einen Mercedes SL 300 Coupé, einmal in Silber und einmal in bordeauxrot in der Ausstellung stehen, um das zu zeigen. Das ist ganz interessant, sich darauf einzulassen.
Das Gespräch führte Heike Mund
Barbara Til ist Leiterin der Abteilung Skulptur und Design des Museums Kunstpalast und Kuratorin der aktuellen Ausstellung. Die Ausstellung "PS: Ich liebe Dich. Sportwagen-Design der 1950er bis 1970er Jahre" ist noch bis zum 10. Februar 2019 zu sehen.