Ecuadors Schicksalswahl
29. September 2007Einen ruhigen Schlaf hat Rafael Correa zurzeit sicher nicht. Er ist ein Mann, der alles auf eine Karte setzt, gern mit großen Worten beeindruckt. An diesem Sonntag (30.09.2007) bittet der ecuadorianische Präsident die Bürger seines Landes zur Wahl. Sie sollen über die Mitglieder einer verfassunggebenden Versammlung abstimmen. Damit will der linkspopulistische Präsident ein zentrales Wahlkampfversprechen einlösen und das krisengeschüttelte Land radikal verändern.
Politisches Überleben aufs Spiel gesetzt
Rafael Correa, erst vor einem Jahr direkt gewählt, macht diese Abstimmung zum Referendum über seine bisherige Regierungsführung. So hat er wiederholt angekündigt, er wolle nur im Amt bleiben, wenn seine Partei País die absolute Mehrheit der Sitze in der Versammlung erobert. Mindestens 66 der 130 zu vergebenen Sitze braucht Correa für sein politisches Überleben. Laut Verfassung reicht auch eine einfache Mehrheit aus, um zu gewinnen.
Die Parteienlandschaft der Andenrepublik ist extrem zersplittert. Am Sonntag stehen 3229 Kandidaten von insgesamt 497 Parteien zur Wahl. Im Land wird gespottet, die Wahlzettel seien so groß, man könne sie immerhin auch als Tischdecke benutzen. Das Parlament und die politischen Parteien genießen kein großes Ansehen bei der Bevölkerung. Ecuador könnte wegen seiner reichen Erdölvorkommen ein wohlhabendes Land sein. Fast vierzig Prozent der Menschen leben aber in Armut. Die scharfen sozialen Gegensätze zu überwinden, hat Correa sich auf die Fahne geschrieben. Und die Umsetzung soll möglichst ohne das Parlament stattfinden, wo die etablierten politischen Kräfte Zuhause sind.
Zustimmung bei 55 Prozent
Im April hatten noch 81 Prozent der Wahlberechtigten die Einrichtung einer verfassunggebenden Versammlung befürwortet. Neben den Regierungspolitikern hoffen vor allem Angehörige der indigenen Bevölkerung, Schwarze und Kleinbauern auf eine neue Verfassung, die den Weg zu sozialen Reformen ebnen soll.
"Er wird gewinnen, das sagt mir mein Bauchgefühl", so der Jorge Gordin, Ecuadorexperte am Institut für Lateinamerikastudien in Hamburg. Die in Umfragen ermittelten Zustimmungswerte sind mit 55 Prozent zwar stark gesunken, aber die Chancen stehen trotzdem nicht schlecht für einen Wahlsieg Correas.
Erreicht der smarte Wirtschaftswissenschaftler Correa sein Ziel, soll die verfassunggebende Versammlung als erstes das Parlament auflösen – auch gegen den Willen des Einkammerhauses. So will es der Präsident Ecuadors, der, dem Beispiel Venezuelas folgend, die Ölreserven des Landes unter staatliche Kontrolle stellen will. Dafür müssen zahlreiche internationale Verträge geändert werden. Von den Erlösen aus dem Ölgeschäft sollen dann das öffentliche Bildungs- und Gesundheitssystem ausgebaut werden. Das Privateigentum an sich solle aber nicht angetastet werden, beteuert Correa.
Konflikte vorprogrammiert
Das Militär und die reichen Eliten des Landes werden voraussichtlich die neue Verfassung boykottieren, wenn sie ihre Interessen deutlich beschneiden. Das darf als sicher gelten. Lateinamerika-Expertin Anna Daun vom Lehrstuhl für Internationale Politik und Außenpolitik an der Universität zu Köln hofft allerdings, dass "politische Mittel zur Konfliktlösung gefunden werden". Denn wenn es so laufe, wie derzeit in Bolivien, wo unter Präsident Evo Morales bereits eine verfassunggebende Versammlung einberufen wurde, bleibe der politische Prozess stecken. "Die Eliten verweigern ihre Kooperation und ihre Expertise."
Aber Correa ist nicht Morales - und nicht Chávez, obwohl er oft mit diesen beiden Linkspopulisten verglichen wird. Das Beispiel Venezuelas vor Augen, warnen Kritiker vor einer zu großen Machtkonzentration in den Händen Correas. Aber anders als Hugo Chávez in Venezuela, hat sein ecuadorianischer Kollege bisher nicht versucht, das Präsidentenamt auf Lebenszeit einzuführen. "Programmatisch gibt es zwischen beiden Politikern große Ähnlichkeiten", sagt Gordin. Aber der Regierungsstil sei doch sehr unterschiedlich.
Correa, Chávez und Morales – Ein Dreiergespann?
Zwar proklamierten die Staatschefs Ecuadors, Venezuelas und Boliviens einen "Sozialismus des 21. Jahrhunderts", doch habe sich Correa, anders als Chávez und Morales, nicht mit dem iranischen Präsidenten Ahmadinedschad getroffen und sich dadurch nicht auf der Weltbühne marginalisiert. "Die außenpolitischen Banden Ecuadors sind weit gefächert und zeichnen ein gemäßigteres Bild", sagt Jorge Gordin.
Falls Rafael Correa die Wahl gewinnt und sein politischer Kurs Bestätigung erhält, geht der Verteilungskampf in Ecuador in die nächste Runde. Correa kann mit seinen politischen Zielen nur polarisieren. Wie sehr der politische Frieden von seinem Kurs in Mitleidenschaft gezogen wird, ist ungewiss. Klar ist allerdings jetzt bereits, dass der viel titulierte ecuadorianische Robin Hood daran gemessen werden wird.