Präsident Iohannis setzt neue Akzente
30. März 2015Drei Viertel der rumänischen Bürger würden heute wieder für Klaus Iohannis stimmen - noch viel mehr als die 55 Prozent, die den Kandidaten des Mitte-Rechts-Bündnisses bei der Präsidentschaftswahl im November 2014 wählten. Zu diesem Ergebnis kommen aktuelle Meinungsumfragen. Auf Facebook folgen ihm 1,5 Millionen Menschen - mehr als vielen anderen europäischen Politikern.
Als der Angehörige der deutschen Minderheit der Siebenbürger Sachsen zum rumänischen Staatspräsidenten gewählt wurde, waren die Erwartungen an ihn von Anfang an riesig. Manche sahen in ihm "die letzte Hoffnung Rumäniens, ein normales Land" zu werden, wie es in der Bukarester Tageszeitung "Adevarul" hieß.
Tatsächlich hat sich in Rumänien seit dem Amtsantritt von Klaus Iohannis am 21. Dezember 2014 einiges geändert. Der schwierige Umgangston in der rumänischen Politik wandelte sich durch sein Beispiel zum Besseren. Zum ersten Mal seit Jahren führen alle parlamentarischen Parteien wieder einen weitgehend normalen, zivilisierten Dialog mit dem Staatspräsidenten und auch im Umgang untereinander mäßigen sich Politiker inzwischen. Rumänische Medien bezeichnen das anerkennend als den "Iohannis-Effekt".
Optimismus bei Minderheiten
Dazu gehört auch, dass Iohannis seinen Landsleuten bei Auslandsauftritten das Gefühl der Würde zurückgibt - etwa, wenn er in Berlin an der Seite von Bundeskanzlerin Angela Merkel deutliche Worte gegen das Klischee der rumänischen Armutsmigration findet.
Vertreter der Minderheiten in Rumänien wiederum erinnern daran, dass mit Iohannis erstmals jemand zum Staatschef gewählt wurde, der ethnisch nicht zur rumänischen Mehrheit gehört. "Das ist ein bedeutender historischer Umstand und wird sich positiv auf die Minderheiten in Rumänien auswirken", meint der Anwalt und ehemalige Minister für Minderheiten, Péter Eckstein-Kovács, der selbst zur ungarischen Minderheit gehört.
Innenpolitisch rief Iohannis in einer viel beachteten Rede vor dem Parlament die Eliten seines Landes zu weniger "Populismus" und "Dauerwahlkampfgehabe" auf. Gesetzesinitiativen zum Schutz korrupter Politiker nahmen die Abgeordneten unter seinem Einfluss zurück. Iohannis plädiert auch für eine starke Einbeziehung zivilgesellschaftlicher Organisationen in den politischen Prozess und spricht sich für eine konsequente Bewältigung der kommunistischen Vergangenheit aus.
Verankerung in der EU
Darunter fallen für ihn auch die sogenannten "Mineriaden" aus den 1990er Jahren, kurz nach dem Ende der kommunistischen Diktatur in Rumänien. Damals überfielen Bergarbeiter aus dem westrumänischen Schiltal insgesamt dreimal regierungskritische Demonstranten und Parteizentralen der antikommunistischen Opposition in Bukarest. Nach einem Vierteljahrhundert wird nun gegen den damaligen postkommunistischen Präsidenten Ion Iliescu und andere Personen des öffentlichen Lebens im Zusammenhang mit diesen Angriffen ermittelt. Im Januar dieses Jahres erinnerte Iohannis in einer öffentlichen Botschaft an die Bergarbeiterüberfälle und schrieb: "Wir sollten verzeihen, aber nicht vergessen."
Auch in der Außenpolitik setzt Iohannis neue Akzente. Noch stärker als sein Vorgänger Traian Băsescu plädiert er für eine tiefe Verankerung Rumäniens in der EU und für ein starkes Bündnis mit Deutschland und Polen. "Wenn in Băsescus berühmter Achse 'Bukarest-London-Washington' jetzt London durch Berlin ersetzt wird, ist das positiv", sagt der Bukarester Publizist Andrei Cornea. "Eine größere kontinentale Komponente in der rumänischen Außenpolitik ist notwendig." Auch die Partnerschaft mit Polen hält Cornea für wichtig. "Die Achse Bukarest-Warschau kann zusammen mit den baltischen Staaten ein Gegenstück zu denjenigen Ländern der Region bilden, die in der Ukraine-Frage eine weiche Linie gegenüber Russland haben."
Ex-Minister und Staatsbeamte in Haft
Vor allem aber hat Klaus Iohannis in den vergangenen Monaten eines bewirkt: In Rumänien wird der Kampf gegen Korruption konsequent geführt. Inzwischen sitzen Dutzende ehemalige Minister, hohe Staatsbeamte und Geschäftsleute in Haft, die einst als unberührbar galten, weil sie den jeweiligen Machthabern nahestanden. Selbst gegen Familienmitglieder des sozialdemokratischen Regierungschefs Victor Ponta und gegen den Ex-Staatschef Traian Băsescu wird derzeit ermittelt.
Den Grund für diese erstaunliche Entwicklung sieht die rumänische Politologin Alina Mungiu-Pippidi darin, dass Iohannis tatsächlich unparteiisch bleibe und keine Schützlinge habe: "Damit ist jetzt erstmals die große Gelegenheit für einen wirklichen Kampf gegen Korruption gekommen", so Alina Mungiu-Pippidi, die Professorin für Demokratiestudien an der Hertie School of Governance in Berlin ist.
Trotz aller Begeisterung, die in Rumänien über Iohannis herrscht, sorgt er regelmäßig auch für Irritationen - vor allem durch seine schweigsame Art, die in starkem Kontrast zum geschwätzigen Politik- und Medienbetrieb in Bukarest steht. Vor allem zum Unmut vieler Journalisten und Kommentatoren hat sich Iohannis schon mehrmals gegen "Politik als öffentliches Spektakel" ausgesprochen. "Wahrscheinlich wird sich unsere Öffentlichkeit an diesen neuen, sehr schweigsamen Stil und nüchterne Botschaften auf Facebook gewöhnen müssen", sagt der Publizist Andrei Cornea. "Wir sollten zwar nicht zur verbalen Aggressivität seines Vorgängers Traian Băsescu zurückkehren, aber etwas mehr Eloquenz wäre doch wünschenswert. Doch vielleicht hebt der Präsident sich die für wirklich bedeutende Augenblicke auf."