1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Hollande warnt vor "Ende Europas"

7. Oktober 2015

Seltener Doppelbesuch: Erstmals treten Kanzlerin Merkel und Frankreichs Präsident Hollande zusammen vor das EU-Parlament. Hollande fordert ein "offensives Europa", die Kanzlerin warnt vor einer nationalen Abschottung.

https://p.dw.com/p/1Gk0C
Präsident Hollande und Kanzlerin Merkel vor dem EU-Parlament (Foto: Reuters)
Bild: Reuters/V. Kessler

Dieses Europa müsse seine Bürger aktiv schützen, sagte der französische Staatspräsident François Hollande im Europaparlament in Straßburg. Als Beispiele nannte Hollande die Finanzkrise, die hohe Arbeitslosigkeit, die Flüchtlingskrise und terroristische Attacken. "Bei jeder Krise kommen Ängste auf", sagte der sozialistische Politiker.

Mit Blick auf die aktuelle Flüchtlingskrise räumte Hollande ein, dass "Europa es versäumt hat zu verstehen, dass die Tragödien in Afrika und dem Nahen Osten nicht ohne Konsequenzen" für den Kontinent seien. Die EU müsse der Türkei helfen, wenn sie wolle, dass die Türkei den Europäern helfe.

Kanzlerin Merkel und Präsident Hollande nehmen im Parlament nebeneinander Platz (Foto: Reuters)
Kanzlerin Merkel und Präsident Hollande nehmen im Parlament nebeneinander PlatzBild: Reuters/V. Kessler

Hollande forderte auch eine weitere Vertiefung der Europäischen Union (EU). "Die Debatte dreht sich nicht um weniger Europa oder mehr Europa. Es geht um die Bekräftigung Europas oder das Ende Europas", unterstrich er. Der Präsident machte sich dafür stark, die Integration der Eurozone zu vertiefen. Zugleich sprach er sich für eine Stärkung der Eurozone mit 19 Staaten aus. Dabei gehe es unter anderem darum, mehr zu investieren. Er nannte dabei als Beispiel den Plan von EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker für mehr Investitionen in der EU.

Merkel lobt Türkei

Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte vor dem Parlament mit Blick auf den Bürgerkrieg in Syrien, nun sei ein "politischer Prozess" zur Lösung des Konflikts nötig. Bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise spiele die Türkei eine "Schlüsselrolle", betonte die Kanzlerin. Die Türkei leiste "Außergewöhnliches" mit der Aufnahme von rund zwei Millionen Flüchtlingen aus Syrien. Das Land brauche aber verstärkt die Unterstützung der Europäer bei der Versorgung der Flüchtlinge, der Grenzsicherung und der Bekämpfung der Schlepper.

Die Bundeskanzlerin warnte vor einer nationalen Abschottung in der Flüchtlingspolitik. "Wir dürfen in der Flüchtlingskrise nicht der Versuchung erliegen, in nationalstaatliches Handeln zurückzufallen", sagte Merkel. "Ganz im Gegenteil." Gerade jetzt brauche es mehr Europa. "Nur gemeinsam wird es uns gelingen, eine faire Verteilung von Flüchtlingen auf alle Mitgliedstaaten zu erreichen."

Angesichts zahlreicher Krisen setzte sich die Kanzlerin für eine Neuausrichtung der europäischen Außenpolitik ein. "Wir müssen unsere Außen- und Entwicklungspolitik stärker darauf ausrichten, Konflikte zu lösen und Fluchtursachen zu bekämpfen", sagte Merkel. Sie nannte die Flüchtlingskrise eine "Bewährungsprobe historischen Ausmaßes". Der Kontinent könne sich von globalen Ereignissen nicht entkoppeln.

"Seien wir ehrlich, das Dublin-Verfahren in seiner jetzigen Form ist obsolet", sagte die Kanzlerin mit Blick auf das Verfahren, wonach Asylsuchende in dem Land ein Asylverfahren durchlaufen sollen, in dem sie erstmals EU-Boden betreten. Sie wolle sich für ein neues Verfahren einsetzen, das fair und solidarisch sei, sagte Merkel.

Kohl und Mitterrand

Der Besuch in Straßburg gilt als hochsymbolisch: Das letzte Mal, dass eine deutsche Regierungsspitze und ein französischer Staatschef in der gleichen Sitzung zu den europäischen Abgeordneten sprachen, liegt fast 26 Jahre zurück. Damals äußerten sich Helmut Kohl und François Mitterrand keine zwei Wochen nach dem Fall der Berliner Mauer zur politischen Entwicklung in Mittel- und Osteuropa.

EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD), der die beiden Spitzenpolitiker eingeladen hatte, sprach mit Blick auf den Doppelauftritt von seinem "sehr starken Signal" kurz nach dem 25. Jahrestag der deutschen Einheit. Die Reden der beiden Spitzenpolitiker waren mit Spannung erwartet worden. Denn sie kommen zu einem Zeitpunkt, an dem die Europäische Union innerhalb und außerhalb der Gemeinschaft mit einer ungewöhnlich großen Anzahl von Herausforderungen konfrontiert ist. So ringt die EU neben der Flüchtlingskrise und den Konflikten in der Ukraine und Syrien auch mit den Folgen der Euro-Schuldenkrise, der Debatte über einen möglichen EU-Austritt Großbritanniens und einem Zuwachs populistischer Kräfte in vielen Mitgliedstaaten.

kle/uh (dpa, epd, afp, rtr, Phoenix)