Gewalt bei Mursi-Prozess
4. November 2013Für die vom Militär eingesetzte ägyptische Regierung ist es offensichtlich eine weitere Machtdemonstration: Der starke Mann am Nil, General Abdul Fattah al-Sisi, hatte wiederholt deutlich gemacht, dass es bei der Absetzung des ersten frei gewählten Präsidenten des Landes, Mohammed Mursi, bleiben werde und es kein zurück zur islamistisch geprägten Verfassung geben könne. Vier Monate nach dem Sturz Mursis solle nun der Prozess gegen das frühere Staatsoberhaupt und 14 Mitangeklagte der Muslimbruderschaft ein weiterer Schritt zur Abrechung mit der Ära unter den Muslimbrüdern werden, heißt es in internationalen Kommentaren und Korrespondentenberichten.
Mursis Muslimbrüder haben zu landesweiten Protesten gegen den Prozess aufgerufen. Etwa 20.000 Polizisten sind aufgeboten, um die Polizeiakademie in Kairo zu schützen, wo die Verhandlung am Montag in einem behelfsmäßigen Gerichtssaal begann. Der 62-jährige Mursi war mit einem Hubschrauber dorthin gebracht worden. Vor der Polizeiakademie und vor dem Kairoer Verfassungsgericht kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Anhängern und Gegnern.
Nach Tumulten auf Januar vertagt
Die Anklage lautet auf Anstiftung zum Mord und zur Tötung von Demonstranten im vergangenen Dezember. Damals hatten sich Gegner der Islamisten vor dem Präsidentenpalast versammelt, die Muslimbrüder ließen ihre Schlägertrupps auf sie los.
Die erste Sitzung im Mursi-Prozess wurde zunächst unterbrochen, laut staatlichem Fernsehen wegen Sprechchören der Angeklagten gegen das Gericht. Der Sender Al-Arabija berichtete, Mursi habe gerufen: "Ich bin der legitime Präsident Ägyptens". Der Richter habe daraufhin angeordnet, dass Mursi im Gerichtssaal die weiße Gefängniskluft für Untersuchungshäftlinge tragen müsse. Andernfalls könne die Anhörung nicht fortgesetzt werden. Schließlich wurde das Verfahren auf den 8. Januar vertagt.
Neuer Polizeistaat unter den Generälen?
Bei einem Schuldspruch droht Mursi und den Mitangeklagten lebenslange Haft oder die Todesstrafe. Das Verfahren hat im In- und Ausland die Sorge ausgelöst, die Armee könne das Land wieder in einen Polizeistaat verwandeln. Seit dem Sturz Mursis ist sie mit harter Hand gegen die Bewegung der Muslimbrüder vorgegangen.
Die gesamte Führungsspitze der Muslimbruderschaft sitzt hinter Gittern. Die staatlichen Ermittler werfen ihnen vor, zu Gewalt und Terror aufgerufen zu haben. Die Islamisten weisen die Vorwürfe zurück.
SC/det (rtr, afpe, dpa)