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Prozess im Schneckentempo

Omaira Gill / ch20. April 2016

Vor genau einem Jahr begann der Prozess gegen Mitglieder der rechtsextremen griechischen Partei Goldene Morgenröte. Seitdem stockt er - und das Interesse geht zurück. Omaira Gill berichtet aus Athen.

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Roupakias in Handschellen (Foto: Reuters/Y. Behrakis)
Bild: Reuters/Y. Behrakis

Er galt gleich als "Jahrhundertprozess", als er vor einem Jahr begann. Und trotz der notorisch langsamen griechischen Justiz sollte er nach spätestens anderthalb Jahren vorbei sein. Vor Gericht stehen 69 Mitglieder der Partei Goldene Morgenröte, darunter ihr Anführer Nikolaos Michaloliakos wegen des Vorwurfs der Bildung einer kriminellen Vereinigung. Die Anklageschrift umfasst mehr als 30.000 Seiten.

Der erste Prozesstag fand am 20. April 2015 statt. Doch unmittelbar nach der Eröffnung des Verfahrens wurde der Prozess vertagt und steht seitdem im Zeichen von Verzögerungen, Ineffizienz und zuletzt von einem Anwaltsstreik, der seit dem 12. Januar dieses Jahres jede Gerichtsverhandlung verhindert hat.

Der Prozess, der anfangs die Öffentlichkeit und die Medien in seinen Bann zog, wurde bald danach von anderen Themen aus den Schlagzeilen verdrängt. Seitdem wird er, wenn überhaupt, nur noch beiläufig erwähnt, und wenn, dann fast nur im Zusammenhang mit Dramen, die sich im Gerichtssaal abspielen, und nicht wegen der Schwere der Vorwürfe gegen die Partei, die auch im griechischen Parlament vertreten ist.

Nach einer Reihe von Angriffen auf Einwanderer durch Mitglieder der Goldenen Morgenröte war es schließlich der Tod des griechischen Rap-Sängers Pavlos Fyssas, der die Justizbehörden aktiv werden ließ. Der Neonazi Giorgos Roupakias hat gestanden, Fyssas getötet zu haben. Gegen ihn wurde die maximal zulässige Haft ohne Anklage verhängt. Doch der Prozess bewegt sich seitdem im Schneckentempo.

Morgenröte-Parteichef Michaloliakos vor dem Parteiemblem (Foto: picture-alliance/dpa)
Morgenröte-Chef Michaloliakos vor dem ParteiemblemBild: picture-alliance/dpa

Immer wieder Verzögerungen

Viele sehen die ständigen Unterbrechungen durch die Verteidigung als Verzögerungstaktik, um Öffentlichkeit und Medien so lange zu langweilen, bis sie das Interesse verlieren. Das sieht auch Thanassis Kampagianis so. Er ist einer der Staatsanwälte. Gegenüber der Deutschen Welle sagt er: "Offensichtlich besteht die Strategie der Goldenen Morgenröte darin, so wenig Aufsehen wie möglich zu erregen."

Auch der Schauplatz des Prozesses gilt als problematisch. Das Korydallos-Gefängnis ist schlecht mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen und damit weit weg von der öffentlichen Aufmerksamkeit. Die Staatsanwaltschaft hat eine Verlegung des Verfahrens an einen besser zugänglichen Ort im Zentrum von Athen beantragt; darüber ist noch nicht entschieden worden.

Zu allem Überfluss streiken seit drei Monaten die Anwälte gegen Pläne der Regierung, ihre Pensionen zu beschneiden. In außergewöhnlichen Fällen erlaube die griechische Anwaltskammer eine Streikunterbrechung, so Staatsanwalt Kampagianis gegenüber der DW. Im Fall des Prozesses gegen die Goldene Morgenröte habe die Kammer aber eine Streikunterbrechung abgelehnt: "Meiner Meinung nach hat die Kammer nur Formalitäten vorgebracht. Es ging nicht um die entscheidende Sache, nämlich dass wir es hier mit einer kriminellen Vereinigung zu tun haben, die all diese Verbrechen begangen hat und sich im Parlament hinter der Maske einer politischen Partei versteckt. Dies ist ein außergewöhnlicher Fall. Er ist für die Demokratie, für politische Rechte und für die Menschenrechte sehr gefährlich. Es sollte also eine Antwort auf die Schwere des Falles geben."

Demonstranten mit griechischen Flaggen (Foto: DW/P. Zafiropoulos)
Mitglieder der Goldenen Morgenröte protestieren gegen Registrierungszentren für Migranten in GriechenlandBild: DW/P. Zafiropoulos

Wichtig für die Gesellschaft

Eleftheria Koumandou, Journalistin beim Radiosender "Athen 98,4" und Mitarbeiterin der Initiative "Golden Dawn Watch", beobachtet den Prozess gegen die Morgenröte. Sie gibt zu bedenken, dass von den 132 Zeugen erst 16 im Verfahren ausgesagt hätten. "Wir glauben, dass der Prozess sehr wichtig ist und dass sich das Ergebnis unmittelbar auf das gesellschaftliche und politische Leben Griechenlands auswirken wird. Wir meinen, es ist entscheidend, dass man Zeugen unterstützt, vor allem die Migranten, dass sie wirklich gegen die Organisation aussagen. Sie brauchen Gerechtigkeit in der Gesellschaft, nicht nur im Gerichtssaal", so Koumando.

Die Verteidiger der Morgenröte haben auf die Interviewanfrage der Deutschen Welle mit dem Hinweis reagiert, vor Ende des Verfahrens würden sie dazu nicht Stellung nehmen.

Wann der Prozess wiederaufgenommen wird, ist unklar. Angesichts der fortdauernden wirtschaftlichen Unsicherheit und der Flüchtlingskrise in Griechenland nimmt unterdessen die Goldene Morgenröte ihre früheren Aktivitäten wieder auf. Vergangene Woche griffen ihre Unterstützer bei einer Demonstration gegen Einwanderung Antifaschisten und einen Journalisten an - angeblich vor den Augen der Bereitschaftspolizei, die nicht eingegriffen habe.