Proteste trotz Drohungen in Belarus
20. September 2020Die Opposition in Belarus hält den Druck auf Staatschef Alexander Lukaschenko aufrecht. Am sechsten Sonntag in Folge nach der umstrittenen Präsidentschaftswahl vom 9. August beteiligten sich zehntausende Demonstranten in der Hauptstadt Minsk an einem "Marsch der Gerechtigkeit". Die Demonstranten trugen rote und weiße Kleidung, die Farben der Opposition, und marschierten in Richtung des schwer bewachten Amtssitzes von Lukaschenko im Nordwesten von Minsk, wie Korrespondenten von Nachrichtenagenturen berichteten.
Im Vorfeld hatten Einsatzkräfte der Regierung Militärfahrzeuge und gepanzerte Mannschaftstransporter in der Innenstadt auffahren und Stacheldrahtbarrieren errichten lassen. U-Bahn-Stationen im Stadtzentrum waren geschlossen und das mobile Internet eingeschränkt. Es waren Hundertschaften von Polizei und Armee im Einsatz, um einen neuen Massenprotest gegen "Europas letzten Diktator", wie Gegner Lukaschenko nennen, zu verhindern.
Die Demonstranten lassen sich nicht abschrecken
Demonstranten hielten Schilder in die Höhe, auf denen "Hau ab!" und "Nur Feiglinge schlagen Frauen!" zu lesen war. Entgegen ersten Agenturberichten gab es doch zahlreiche Festnahmen. Menschenrechtler sprechen von mehr als 100 Fällen.
Dafür hatte es am Vortag umso mehr Festnahmen gegeben, mehr als 400 Demonstrantinnen waren in Transporter gezerrt worden. Der oppositionelle Koordinierungsrat sprach angesichts der im Vergleich zum vergangenen Wochenende sehr viel höheren Zahl an Festnahmen von einer "neuen Phase der Eskalation der Gewalt gegen friedliche Demonstranten".
Seit der Präsidentschaftswahl gehen die Belarussen jeden Sonntag gegen den seit 26 Jahren mit eiserner Hand regierenden Präsidenten auf die Straße, werfen ihm Wahlfälschung vor und fordern Neuwahlen. Dabei lassen sie sich auch von dem gewaltsamen Vorgehen der Sicherheitskräfte nicht abschrecken. Lukaschenko hatte sich mit 80,1 Prozent der Stimmen zum Wahlsieger erklären lassen. Die Opposition hält dagegen Swetlana Tichanowskaja für die wahre Siegerin.
Lukaschenko setzt auf Hilfe aus Moskau
Lukaschenko hat mehrfach deutlich gemacht, dass er an einen freiwilligen Rücktritt nicht denkt. Vielmehr setzt er auf Hilfe aus Moskau, um an der Macht zu bleiben. Die EU erkennt Lukaschenko nicht als Staatschef von Belarus an und bereitet Sanktionen vor.
Die Regierung in Minsk bezichtigte die Demonstranten, aus dem Ausland gesteuert zu werden: Der Westen wolle Belarus destabilisieren, um es als Einfallstor nach Russland zu nutzen.
pg/haz (dpa, afp, ap, rtr)