Propagandaschlacht in den Medien
7. Februar 2014Der Schnee ist mittlerweile schwarz in der "Pufferzone" zwischen den Demonstranten und den Hundertschaften der Sicherheitspolizei in der Hruschewski-Straße im Regierungsviertel in Kiew. Hinter ausgebrannten Wracks von Polizeibussen stehen Sonderkommandos in schweren Rüstungen. Aus ihren Lautsprechern tönt patriotische Musik aus der Sowjetzeit.
"Diese Musik hören die Einsatzkräfte rund um die Uhr", erzählt die Journalistin Lesja Ganscha. "Ihre Kommandeure haben sie eingeschaltet, als wir einen Lichtbildprojektor installiert haben, damit die Polizisten Nachrichten von unabhängigen TV-Sendern sehen können. Sie müssen erfahren, wie schamlos sich die korrupten Machthaber bereichert haben." Lesja Ganscha ist überzeugt, dass die Sicherheitskräfte nicht verstehen, was die Demonstranten wirklich wollen. Sie seien einseitig informiert und hätten keinen Zugang zu objektiven Nachrichten.
Einseitige Berichterstattung großer TV-Sender
So wie die Polizisten seien auch viele andere Menschen nicht ausreichend über die Ereignisse in der Ukraine informiert, sagt die Journalistin. Das liege vor allem an Medien wie dem staatlichen "Ersten Kanal" oder dem TV-Sender "Inter", der einem Oligarchen aus dem Präsidentenlager gehört. Die meisten großen Medien in der Ukraine verbreiteten nur die Sichtweise der Regierung. Standpunkte der Demonstranten kämen darin nicht vor. Sie würden zumeist nur als "Unruhestifter" abgestempelt, sagt Ganscha.
Die Anhänger des Präsidenten protestieren ebenfalls im Regierungsviertel. "Nationalisten und Faschisten" seien die Demonstranten auf der anderen Seite, schimpfen sie. "Die wollen keine Stabilität", sagt eine Frau. Janukowitsch solle endlich wieder für Ordnung sorgen, meint sie. Das sind Aussagen, wie sie jeden Tag in den regierungstreuen Medien zu hören sind.
Dass Regierungsgegner immer wieder von Unbekannten zusammengeschlagen oder Aktivisten von der Polizei willkürlich verhaftet werden, darüber berichten Sender wie der "Erste Kanal" oder "Inter" nicht. Hier bestehen die Nachrichten zum großen Teil aus Berichten über Stellungnahmen des Innenministeriums, das die Regierungsgegner für die Gewalt verantwortlich macht.
Die Propaganda zeigt Wirkung
"Symptomatisch" sei das, sagt Medienexpertin Diana Dutsyk im Gespräch mit der Deutschen Welle. Sie erinnert sich an den Beginn der Protestwelle vor zwei Monaten. Als die gefürchtete Polizeispezialeinheit "Berkut" Ende November den Unabhängigkeitsplatz mit brutaler Gewalt von pro-europäischen Demonstranten räumen wollte, berichtete das staatliche Fernsehen nur über "zahlreiche verletzte Polizisten". Sie seien angeblich von Demonstranten angegriffen worden. Über die Gewalt der Polizei und schwer verletzte Demonstranten wurde nicht berichtet.
"Die Propaganda in den regierungstreuen zentralen und regionalen Medien hat dazu geführt, dass die Auseinandersetzung in der Ukraine immer emotionaler und sogar aggressiver geworden ist", sagt die Expertin. Vor allem im Osten und Süden der Ukraine gebe es so gut wie keine unabhängigen Medien, die ein reales Bild der Lage vermitteln würden.
Die pauschale Diffamierung der Regierungsgegner als "gewaltbereite Ultranationalisten" in den regierungsnahen Medien zeige Wirkung. Die Anhänger des Präsidenten hielten inzwischen Gewaltanwendung seitens der Sicherheitskräfte für ein legitimes Mittel, um "die Ordnung wiederherzustellen", meint Diana Dutsyk. Die Expertin ist überzeugt davon, dass das Land mehr unabhängige Medien braucht, darunter einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk, in dem alle gesellschaftlichen Kräfte zu Wort kommen.
Mutige Journalisten ergreifen Initiative
Einige Journalisten wie Dmytro Hnap haben deshalb die Initiative ergriffen. Er und 30 weitere Kollegen gründeten vor einigen Monaten den Online-Sender "Hromadske-TV" - auf Deutsch: öffentliches Fernsehen - ohne die in der Ukraine üblichen Oligarchen und Politiker im Hintergrund und ohne staatliche Finanzierung. "Nur so kann ich investigativen Journalismus machen und über korrupte Politiker berichten. Und ich muss auch nicht auf die Interessen eines Unternehmers, der mit der Politik verflochten ist, Rücksicht nehmen", so Hnap.
Das Geld für den Sender stammt vor allem aus Spenden von Zuschauern. Zusammen mit Geldern ausländischer Stiftungen sind in den letzten Monaten so mehr als 300.000 Euro zusammengekommen. Seit Beginn der pro-europäischen Demonstrationen sind immer mehr Journalisten zu "Hromadske-TV" gestoßen, um dort über die politische und wirtschaftliche Krise im Land zu informieren.