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Prix Goncourt

Wim Abbink6. November 2006

Der begehrteste französische Literaturpreis, der Prix Goncourt, geht in diesem Jahr an den Schriftsteller Jonathan Littell. Der US-Autor erhält die Auszeichnung für seinen Debütroman "Les Bienveillantes".

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Profilaufnahme des US-Autors Jonathan Littell
Der US-Schriftsteller Jonathan LittellBild: AP

Der renommierte Prix Goncourt wurde erstmals 1903 vergeben und ist lediglich symbolisch mit rund zehn Euro ausgestattet. Die Jury fällte ihre Entscheidung im ersten Wahlgang mit sieben gegen drei Stimmen. Der 39-jährige gebürtige US-Amerikaner setzte sich mit den fiktiven Memoiren eines SS-Mannes unter anderem gegen Michel Schneiders Marilyn-Monroe-Buch "Marilyn, Dernières séances" durch. Zum Auftakt der Buchpreis-Saison in Frankreich hatte Littell vor zehn Tagen bereits den Romanpreis der Académie française erhalten.

US-Amerikaner schreibt auf Französisch

In "Les Bienveillantes" beschreibt Littell das Leben eines SS-Offiziers, der nach dem Krieg ohne Reue auf seine Untaten zurückblickt und damit ein detailliertes Bild der Verfolgung und Vernichtung der Juden unter dem Nationalsozialismus zeichnet. Der 900-Seiten-Roman stand mit 250.000 verkauften Exemplaren wochenlang auf der französischen Bestsellerliste und wurde als Sensation der aktuellen Literatursaison gewürdigt. Allerdings gab es auch andere Stimmen - unter anderem von "Shoah"-Filmemacher Claude Lanzmann. Mancher Kritiker befürchtet, das Buch könnte Verständnis für den Holocaust wecken.

Littell stammt aus einer jüdischen Familie mit osteuropäischen Wurzeln. Sein Vater Robert Littell verfasste zahlreiche Spionageromane. Der in New York geborene Jonathan Littell kam als Kind nach Frankreich, studierte in Yale Literaturwissenschaft und schreibt auf Französisch. Er arbeitete für humanitäre Hilfsorganisationen an den Kriegsschauplätzen von Bosnien und Ruanda bis Tschetschenien. Der mit einer Belgierin verheiratete Autor lebt in Barcelona. Zwei mal sollen ihm die Franzosen die Einbürgerung verweigert haben, wie dpa berichtet.

2007 erscheint der Roman auf Deutsch

Der Poker um die internationalen Rechte war eines der großen Themen der Frankfurter Buchmesse. Der Roman soll 2007 auf Deutsch erscheinen. Die Übersetzungsrechte für das Werk hat der Berlin Verlag erworben. Die englische Übersetzung will Littell selber übernehmen.

Während Littell nun doppelt ausgezeichnet wurde, hatte Schneiders "Marilyn, Dernières séances" auch beim anderen noch ausstehenden litarerischen Groß-Event in Frankreich kein Glück: In der zehnten Abstimmungsrunde für den zeitgleich vergebenen Prix Renaudot scheiterte es denkbar knapp. Der Franko-Kongolese Alain Mabanckou erhielt letztlich mit sechs gegen fünf Stimmen den Renaudot für "Mémoires de porc-épic" (wörtlich: Memoiren des Stachelschweins). Der im Kongo geborene Autor unterrichtet seit 2002 französische Literatur in Amerika.