Prix Goncourt 2018 geht an Nicolas Mathieu
7. November 2018Der Prix Goncourt geht in diesem Jahr an Nicolas Mathieu. Ausgezeichnet wird der 40-Jährige für seinen zweiten Roman "Les enfants après eux" (Nach ihnen die Kinder ). Die Geschichte spielt Mitte der 1990er Jahre in einem abgelegenen Loire-Tal in Frankreich. Das Leben in der Provinz ödet die jugendlichen Roman-Helden an. Es wird viel getrunken und abfällig über Ausländer geredet. Der Front National existiert bereits, aber von der Arbeiterklasse hat er noch nicht vollständig Besitz ergriffen.
Mathieu begleitet in seinem Roman die vier Protagonisten in ihrem langweiligen Alltag, vier Sommer lang. Die 14-Jährigen Jungs träumen und reden nur davon, endlich aus der öden Kleinstadt abhauen zu können.
Verödung in der Provinz
Der Autor, Jahrgang 1978, weiß wovon er schreibt. Er stammt selbst aus einem dieser abgehängten Orte: der Kleinstadt Épinal in den Vogesen. Ländliche Regionen, die von der Globalisierung und einer gut funktionierenden Internetwelt abgekoppelt sind. "Ich wollte von der Welt erzählen, aus der ich komme", sagt Nicolas Mathieu. "Das ist eine literarische, aber auch politische Herausforderung."
In "Les enfants après eux" fängt er sehr gut die Schrebergarten- und Baumarkt-Mentalität ein, die in der Provinz weit verbreitet ist. Nicht nur in Frankreich, sondern auch in Deutschland und anderen europäischen Ländern.
Seine heranwachsenden Protagonisten sehen sich einer Zukunft ohne Perspektive gegenüber. "Du hast keine Chance, also ergreife sie!" Der Spruch aus den 1970er Jahren hat offenbar wieder Aktualität. Die zehnköpfige Jury hob hervor, wie lebensnah Nicolas Mathieu über die Jugendlichen schreibt.
Doppelte Preisverleihung
Zeitgleich wurde in Paris auch der Prix Renaudot vergeben. Nachdem der Gewinner des Prix Goncourt feierlich verkündet wurde, trat ein Jurymitglied des anderen Preises ans Mikrofon, über den zuvor in einem Nebenzimmer beraten wurde: Die zweite literarische Auszeichnung erhält die 33-Jährige Schriftstellerin Valérie Manteau für ihren Roman "Le sillon" (Die Furche).
Französische Literaturpreise werden offenbar gern beim üppigen Essen ausgelobt. Zumindest steht vor der Preisverkündung, auf die die literarische Welt jedes Jahr auch beim renommierten Prix Goncourt wartet, immer ein legendäres Essen im ersten Stock des schicken Pariser Restaurants "Drouot".
Dort "schlägt das literarische Herz Frankreichs", wie die französischen Tageszeitungen und Agenturen am Tag der Verkündung schreiben - voller Kulturpatriotismus selbstverständlich. Es gibt zwar nur zehn Euro Preisgeld, aber Ruhm und Ehre sind unter Umständen wertvoller als jegliche Preisgelder. Die darauf folgende weltweite Öffentlichkeit verschafft dem neuen Preisträger ein Renomee in der Literaturwelt, das sich auch in neuen Vertragsbindungen und anderen Preise auszahlen kann.
hm/so (dpa/AFP/lemonde.fr)