Pressestimmen von Donnerstag, 6. April 2006
5. April 2006Zunächst zum Vogelgrippefall auf einem Geflügelhof im sächsischen Wermsdorf und den möglichen Konsequenzen.
Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG meint:
"Politiker und Verbraucher können getrost kühlen Kopf bewahren. Denn erstens gilt weiter, was in Sachen Vogelgrippe hier zu Lande stets richtig war: Der Mensch ist nicht gefährdet. Zweitens dürfte sich auch die Überraschung in Grenzen halten. Schließlich war es nur eine Frage der Zeit, bis H5N1 irgendwo im Land den Sprung ins Hühner- und Putenvolk schafft. Man darf also erwarten, dass alle zuständigen Stellen von Flensburg bis Garmisch vorbereitet und in der Lage sind, erkrankte Tierbestände sofort töten zu lassen. Denn dies bietet derzeit leider den besten Schutz vor einer Ausbreitung der Tierkrankheit, und hier darf es deshalb keine Pannen geben."
Der NORDKURIER aus Neu-Brandenburg appelliert an das Verantwortungsbewusstsein der Geflügelhalter:
"In dem sächsischen Betrieb und dessen Umfeld wurde durch Schutzzonen und die Tötung Tausender Puten, Gänse und Hühner das bisher im Kampf gegen die Vogelgrippe zur Verfügung stehende Instrumentarium routiniert eingesetzt. Bleibt zu hoffen, dass sich alle Geflügelhalter an die Bestimmungen zum Schutz ihrer Tiere vor Vogelgrippe halten. Schon ein einzelner Fall von Verantwortungslosigkeit, Profitgier oder falsch verstandener Tierliebe kann katastrophale Auswirkungen haben. Dann stünde die Panik, befeuert von einer drohenden Pandemie, tatsächlich vor der Tür."
Der Leitartikler der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG glaubt zu wissen, wie sich die Tiere in Sachsen angesteckt haben könnten:
"Tausende von toten Wildvögeln sind seit dem Rügener Schwanensterben hier zu Lande auf das Virus hin getestet worden, auch in der Nähe des Mastbetriebs in Wermsdorf. Alle waren negativ. Und doch haben sich die Tiere möglicherweise bei Wildvögeln angesteckt, nachdem der Betrieb eine Ausnahmegenehmigung zur Aussetzung der Stallpflicht erhalten und die Gänse ins Freie gelassen hatte. Es wird jetzt zu klären sein, nach welchen Kriterien solche Ausnahmegenehmigungen vergeben werden und warum das in diesem Fall notwendig gewesen sein soll."
Die BERLINER MORGENPOST ahnt, dass die Suche nach den Infektionswegen keineswegs ein leichtes Unterfangen darstellt:
"Um herauszufinden, welche Übertragungswege H5N1 tatsächlich nimmt, müssen die Viren aus allen Erdregionen genetisch untersucht werden, und zwar en détail. Die nahe Verwandtschaft zwischen bayerischen und italienischen Virusfunden mag zwar die Toskana- Reisenden besonders gruseln, doch diese gerade medienwirksam verkündete Information genügt keineswegs. Sie ist keine Antwort auf die brisante Frage, wie die Viren aus China nach Europa gelangten."
Themenwechsel. Nach den Gewaltexzessen an der Berliner Rütli-Schule geht die Debatte über Maßnahmen zur besseren Integration ausländischer Schüler und ihrer Eltern weiter.
Der Berliner TAGESSPIEGEL schreibt zur Situation an den Hauptschulen.
"Aus den Hauptschulen gibt es normalerweise keine Brandbriefe, weil sich die Lehrer längst daran gewöhnt haben, dass die Öffentlichkeit sie ihrem Schicksal überlässt. Von den Eltern hört man auch nichts, denn sie entstammen überwiegend einer Bevölkerungsschicht, die sich nicht zu Wort meldet. Der Rest der Welt ist heilfroh darüber, wenn die Hauptschulen still vor sich hin existieren. Denn sie stellen sicher, dass die anderen 90 Prozent der Heranwachsenden nichts mit den schlimmsten Problemkindern der Stadt zu tun bekommen."
Zum Vorschlag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, einen Integrationsgipfel einzuberufen, meint die MITTELBAYERISCHE ZEITUNG aus Regensburg:
"Vielleicht kann ein Integrations-Gipfel, zu dem die Kanzlerin allerdings noch gar nicht eingeladen hat, wirklich zu etwas mehr problemorientierter Sachdebatte führen. Wir brauchen ein langfristig angelegtes Integrationskonzept, das Bund, Länder und Kommunen einbindet und bezahlt werden muss. Einfache Parolen helfen hingegen nicht weiter. Der Wahlkampf ist vorbei."
Das NEUE DEUTSCHLAND aus Berlin schreibt:
"Die durch den Brandbrief der Lehrer der Rütli-Schule in Berlin-Neukölln ausgelöste Debatte hat sich mittlerweile längst verselbstständigt. Es ist eine Schlagwortdebatte geworden, die um die Begriffe 'Ghetto, 'Gewalt' und 'kriminelle Ausländer' kreist. Munitioniert wird das Ganze von Bildern, die das mittlere und gehobene Bürgertum in diesem Land (womit nicht nur jene mit deutscher Geburtsurkunde gemeint sein sollen) aus Detlef Bucks neuem Film 'Knallhart' kennt und die im Kurzschluss des Denkens für Abbilder der ganzen Wirklichkeit gehalten werden. Die (konservative und bürgerliche) Öffentlichkeit giert nach solchen Bildern, um sich nicht eingestehen zu müssen, dass auch sie sich im Ghetto befindet."
Der Kommentator des MÜNCHNER MERKUR fordert die Deutschpflicht für Politiker:
"Es hat eines langen Lernprozesses bedurft, um einer schlichten Selbstverständlichkeit zum Durchbruch zu verhelfen: Die Verkehrssprache in Deutschland ist deutsch - und nicht türkisch. Noch schöner wäre es freilich, wenn unsere Politiker diese Erkenntnis nicht nur auf Ausländerkinder anwenden würden: Wer die eigenen Satzgerippe mit englischen Modewörtern vollhängt wie Weidenkätzchen mit Ostereiern, sollte den Mund lieber nicht so voll nehmen. Es ist bitter: Die Deutschpflicht für Politiker ist heute schwerer durchsetzbar als die Deutschpflicht auf Pausenhöfen im Berliner Kiez. In Reden Stoibers, dessen Bekenntnis zur deutschen Leitkultur besonders feurig ausfällt, wimmelt es nur so von Begriffen wie Clusterbildung, Mentoring-Programm oder Center of Excellence. Das soll modern klingen - und ist doch nur armselig."