Presseschau: "Keine Volksparteien mehr"
13. März 2016"Dieser Dreiwahlen-Sonntag wird in die bundesdeutsche Geschichte eingehen", schreibt die "Süddeutsche Zeitung". Für das Blatt aus München liefert uns der Wahlabend einen Blick in die Zukunft der deutschen Demokratie. "Er zeigt, wie sich das Zerbrechen der alten Parteienlandschaft fortsetzt, und er lenkt den Blick auf die Gefahren, die der Demokratie drohen. Sie tragen das Kürzel AfD". Nach Ansicht der "SZ" zeigt der Wahlsonntag aber auch, wie man den Gefahren begegnet: mit der entschlossenen Gelassenheit eines Winfried Kretschmann.
Auch die "Stuttgarter Zeitung" widmet sich in ihrem Kommentar dem spektakulären Wahlsieg der einstigen Öko-Rebellen im Land von Daimler und Porsche: "Die Grünen haben einen Wahlerfolg historischen Ausmaßes gelandet. Der wurzelt erwiesenermaßen viel stärker im Ansehen Kretschmanns als in Programm und Positionen seiner Partei. Der geradlinige Stil des Schwaben kommt an."
Der "Kölner Stadt-Anzeiger" deutet das gute Abschneiden Kretschmanns als Wunsch der Wähler nach einer Führungsfigur, der sie vertrauen können. Gleichzeitig macht sich das Blatt Sorgen um einen möglichen bundesweiten Trend. "Die Flüchtlingskrise hat die politische Kompass-Nadel ins Rotieren gebracht. In Sachsen-Anhalt spielt der Kompass gar komplett verrückt. Dass der Osten nicht die Entwicklung im Westen Deutschlands vorweg nimmt, bleibt zu hoffen", so der Stadt-Anzeiger.
"Viele Fragen, kaum Antworten"
Die "Thüringische Landeszeitung" aus Weimar sieht angesichts des AfD-Erfolgs ein Ende der großen politischen Blöcke gekommen. "CDU und SPD sind keine Volksparteien mehr. Weil sie keine Alternativen mehr bieten, laufen ihnen die Anhänger davon", heißt es im Kommentar zur Wahl. Die Menschen protestierten gegen eine Politik, die in der Flüchlingskrise weiter vor allem Fragen aufwerfe, aber kaum Antworten gebe.
Für die "Bild" ist aus dem Dreiwahlen-Sonntag nicht die von vielen erwartete Schicksalswahl für Bundeskanzlerin Angela Merkel geworden: "Als Partei-Chefin hat Merkel an diesem Super-Qual-Sonntag eine krachende Niederlage erlitten. Doch ihre Haltung in der Flüchtlingskrise wurde nicht abgestraft. Loyal auf Kurs waren Malu Dreyer (SPD) und Winfried Kretschmann (Grüne) - und haben gewonnen".
Im Kommentar der Tageszeitung "taz" aus Berlin werden gleich drei Sieger der Wahl genannt: die Angst, die Ausgrenzung, das Autoritäre. Die AfD sei der Grund für dieses Ergebnis. Auslöser ist für die "taz" jedoch, dass viele Politiker den Glauben an die Hilfsbereitschaft und Geduld der Mehrheit aufgegeben und das Geschäft der AfD befördert hätten. Als prominente Beispiele nennt das Blatt Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer und Bundesinnenminister Thomas de Maizière.
djo/wl (afp, dpa)