Arabische Medien zu Gaza und Golan
26. März 2019Aus dem Gazastreifen wird gut zwei Wochen vor den israelischen Parlamentswahlen eine Rakete auf israelisches Territorium gefeuert. Sieben Menschen werden verletzt. Die wichtigste Frage ist noch nicht geklärt: Wer steckt hinter dem Abschuss? Geht er auf ein technisches Versehen zurück, wie die Hamas behauptet hat? Die der Palästinensischen Autonomiebehörde verbundene und damit Hamas-kritische Zeitung "Al-Hayat al-Jadida" glaubt das nicht: Moderne Raketen, vor allem Präzisionsraketen wie sie nach Einschätzung der Zeitung inzwischen auch die Hamas verwendet, setzten bei der Zündung mehrere Schritte voraus, deren Kombination einen Irrtum nahezu völlig ausschließe: "Die Behauptung, es handle sich um einen Fehler, ist lächerlich und naiv."
Mit dem Abschuss verfolge die Hamas vier Ziele, vermutet die Zeitung. Nämlich erstens die gegen die Hamas gerichtete Protestbewegung "Wir wollen leben" im Gaza-Streifen durch Konzentration auf den gemeinsamen Feind Israel aufzulösen; zweitens die laufenden Bemühungen Ägyptens zu sabotieren, zwischen Hamas und Israel zu vermitteln; drittens die Regierung Netanjahu kurz vor den Wahlen zu schwächen; und viertens wolle die Hamas zeigen, dass sie durchaus in der Lage sei, die Beziehungen zu Israel aktiv zu gestalten - wenn auch nicht in dem Sinn, der der Zeitung behagt. Die "rechtmäßige Führung" - gemeint ist die Palästinensische Autonomiebehörde - "ist sich bewusst, dass der größte Verlierer die palästinensische Bevölkerung ist."
Al-Quds: "Hauptsache, Widerstand"
Eine andere Vermutung, wer hinter dem Abschuss der Rakete stehen könnte, hat die in London erscheinende, der Sache der Palästinenser allgemein gewogenen Zeitung "Al-Quds". Ihrer Einschätzung nach hat die Hamas derzeit kein Interesse daran, das Verhältnis zu Israel eskalieren zu lassen. "Das heißt aber nicht, dass die Bewegung 'Islamischer Dschihad' es ebenso sieht." Darauf deute der Umstand hin, dass die Rakete in Tel Aviv und nicht wie sonst in Grenzregionen niedergegangen sei. Wichtig, so die Zeitung, sei aber etwas anderes: "Dass die palästinensische Bevölkerung im Gazastreifen weiterhin auf unterschiedliche Weise Widerstand leistet und sich zugleich einer vielfachen Besatzung widersetzt. Die nächste Runde der Aggression durch den Besatzungsstaat ist nicht die erste, und sie wird nicht die letzte sein."
Noch schärfer formuliert Abdel Bari Atwan, der palästinensisch-stämmige Chefredakteur der in London erscheinenden viel gelesenen Internetzeitung "Rai al-Yawm". Atwan, der mit seiner harten Kritik an Israels nie hinterm Berg hält, begrüßt den Raketenabschuss: "Dieser stellt den Beginn einer qualitativ neuen Epoche dar, die auf den Besatzungsstaat und seine Führung wie ein Schock wirken wird." Unverhohlen äußert er, welche weitere Entwicklung er sich aus dem Vorfall erhofft: "Die Rakete auf Tel Aviv könnte Millionen Israelis auf der Suche nach Sicherheit in Bunker treiben. Das ist in sich bereits ein Großteil des Sieges."
Trump - "Symbol der Rassisten weltweit"
Einiger ist sich die arabische Presse mit Blick auf die Golanhöhen, die US-Präsident Trump offiziell als Teil Israels anerkannt hat. Mit dieser Entscheidung, schreibt die in Jerusalem herausgegebene, palästinensische Zeitung "Al-Quds", sei Trump endgültig "zum Symbol der Rassisten weltweit" geworden. Mit ihr, so das Blatt weiter, setze er jenen Kurs fort, den er mit der Anerkennung ganz Jerusalems als israelischer Hauptstadt begonnen habe.
"Al-Quds" stellt zudem einen Zusammenhang zwischen dieser Entscheidung und Trumps Mexiko-Politik her: "Auch gegenüber Mexikanern und Südamerikanern praktiziert er durch den Beschluss, einen Grenzwall zu Mexiko zu bauen, eine abscheuliche Politik." Donald Trump, so "Al-Quds" weiter, "weigert sich, die Rechte anderer anzuerkennen."
"Al-Arabi al-Jadd": "Trumps Entschluss gefährdet globale Ordnung
Die in London erscheinende "Al-Arabi al-Jadeed", die dem katarischen Sender "Al-Jazeera" verbunden ist, richtet in ihrer englischsprachigen Ausgabe ihren Blick auf ordnungspolitischen Aspekte von Trumps Entscheidung. Die große Mehrheit der Staatenwelt habe auf Trumps Entscheidung mit dem Hinweis reagiert, die Golanhöhen seien syrisches Territorium und müssten es auch bleiben. Anders der US-Präsident, schreibt die Zeitung: "Nicht einmal mit einem Federstrich, sondern dem hirnlosen Heraushauen eines Tweets hat Trump eines der fundamentalen Prinzipien der Nachkriegsordnung degradiert, dass nämlich kein Staat international anerkannte Grenzen durch Gewalt ändern kann."
Dagegen könne man einwenden, dass die Golanhöhen faktisch bereits unter israelischer Herrschaft stünden, da sich niemand der Annektierung durch Israel entgegengestellt habe, nimmt die Zeitung ein häufig erhobenes Argument vorweg - um diesem dann ein anderes entgegenzustellen. Trumps Statement besage, so "Al-Arabi al-Jadeed", dass man fortan das Land eines anderen Staates durch schlichte Gewaltanwendung rauben könne. Diese Aussicht sei für viele Menschen gerade im Süden der Welt katastrophal: "Wenn man in der 'Ersten Welt', in einem ökonomisch und militärisch starken Land lebt, mag das kein Grund zur Unruhe sein. Aber für die, die in prekären Umständen leben, wo Selbstbestimmung und Nationalität von machtvollen Akteuren unterhöhlt, unterdrückt und bekämpft werden, stellt dies einen höchst gefährlichen Präzedenzfall dar."
Die in Ramallah erscheinende und der das Westjordanland regierenden "Fatah" zuneigende Zeitung "Al-Ayyam" wirft der derzeitigen US-Regierung vor, sich zu sehr für die Sache Israels zu engagieren: "Die Regierung Trump gibt zu erkennen, dass sie sich in hohem Maße mit der rechtsextremen israelischen Regierung identifiziert. Sie traf eine Reihe von Entscheidungen, von denen Netanjahu bislang nur geträumt hatte - ganz so, als hätte Israel Washington besetzt und zwänge die USA nun, sich ihm zu unterwerfen." Warum Trump das tue, fragt sich "Al-Ayyam" und vermutet, der Präsident wolle sich so bei den nächsten Wahlen die Unterstützung einer "jüdischen Lobby" sichern. Zudem treibe Trump ein Weiteres, mutmaßt die Zeitung: "einen schändlichen Rassismus, der weiße Amerikaner gegen andere aufbringt." Dieser Rassismus, vermutet die Zeitung weiter, sei es auch gewesen der den rechtsextremen Terroristen von Christchurch zu seinem Verbrechen getrieben habe.