Pressefreiheit: Für Medien zu arbeiten wird gefährlicher
14. Dezember 2022Nach zwei Jahren mit sinkenden Zahlen registrierten Reporter ohne Grenzen (ROG) bis zum 1. Dezember 2022 fast 20 Prozent mehr getötete Journalistinnen und Journalisten als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Beim Anstieg von 48 auf 57 Getötete spiele der Krieg Russlands gegen die Ukraine eine "große Rolle", sagt ROG-Experte Christopher Resch im DW-Gespräch. Mit acht toten Journalistinnen und Journalisten seit dem Kriegsbeginn ist das Land aktuell das zweitgefährlichste der Welt.
Organisierte Kriminalität und Korruption
Nur in Mexiko kamen mehr Menschen wegen oder in Ausübung ihres Berufes ums Leben: elf Getötete, vier mehr als 2021. Damit belegt das mittelamerikanische Land zum vierten Mal in Folge Platz eins. Meistens werden die Opfer wegen ihrer Recherchen im Drogen- und Bandenmilieu gezielt ermordet. Organsierte Kriminalität und bis in höchste politische Ämter hinein reichende Korruption ergeben nach ROG-Erkenntnissen oft eine tödliche Mischung.
Das Besondere sei, dass sehr viele lokal tätige Journalistinnen und Journalisten ihren Einsatz für die Pressefreiheit mit dem Leben bezahlten. Anders als im Krieg - da seien es häufiger die "einfliegenden Journalisten von außen", sagt Christopher Resch. Reporter ohne Grenzen setzt sich seit Jahren gemeinsam mit einer Partnerorganisation in Mexiko für einen besseren Schutz der oft unter Lebensgefahr arbeitenden Kolleginnen und Kollegen ein. Aber trotz staatlicher Maßnahmen "passiert quasi nichts". Allein im Januar wurden drei Männer und eine Frau ermordet.
533 Journalistinnen und Journalisten sind im Gefängnis
Weltweit sind nach Recherchen von Reporter ohne Grenzen sieben Journalistinnen getötet worden, das sind mehr als zwölf Prozent aller Opfer. Noch höher, nämlich bei fast 15 Prozent, liegt der Anteil inhaftierter Frauen. Insgesamt waren zum 1. Dezember 533 Journalistinnen und Journalisten im Gefängnis – mehr denn je.
Die Zahl der Frauen hinter Gittern hat um 28 Prozent auf 78 Inhaftierte zugenommen. Jeweils rund ein Viertel von ihnen sitzt in China und im Iran im Gefängnis. ROG-Experte Christopher Resch spricht von gezielten Repressionen gegenüber Frauen in Ländern wie dem Iran oder Belarus. Dort spiele man bewusst mit ihrer Verletzbarkeit und Verwundbarkeit. "Das wird bewusst eingesetzt, um mehr Schrecken und Horror vor der Repression zu verbreiten."
Prominentester Häftling der Welt: Julian Assange
Um die Situation für alle Berufsgruppen im Journalismus, darunter auch Kameraleute und Producer, zu verbessern, drängen Reporter ohne Grenzen in allen Weltregionen auf die Einhaltung international vereinbarter Standards. An erster Stelle steht dabei die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte. Dadurch habe man zumindest eine Möglichkeit, gegen das, was in den Ländern passiere, zu klagen. "Auch wenn es zunächst nur auf dem Papier steht."
Dabei denken Reporter ohne Grenzen nicht nur an diktatorische und autoritär regierte Regimes, sondern auch an demokratische Länder. Noch immer sitzt Julian Assange, Gründer der Enthüllungsplattform WikiLeaks, in einem britischen Hochsicherheitstrakt. Die USA verlangen seit Jahren seine Auslieferung und bedrohen ihn mit einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe – wegen angeblichen Geheimnisverrats. Der Fall des in der Haft erkrankten Australiers kommt auch wieder in der ROG-Jahresbilanz 2022 zur Sprache.
Zwiespältiges Fazit
Öffentlich erzeugter Druck werde durchaus gespürt. "Das hören wir immer wieder von freigekommenen Journalistinnen und Journalisten", sagt Christopher Resch. Sein Fazit insgesamt fällt allerdings zwiespältig aus: "Ich finde, dass es relativ düster aussieht. Aber ich möchte auch nicht sagen, dass es schon ganz schwarz geworden ist."