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Politik

Johnson will Neuwahlen im Dezember

24. Oktober 2019

Nach der neuerlichen Abstimmungsniederlage im Parlament sucht der britische Premierminister Boris Johnson im Ringen um den Brexit nun den Ausweg in Neuwahlen. Doch dafür ist er wieder auf die Hilfe anderer angewiesen.

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UK London Boris Johnson
Bild: picture-alliance/PA Wire/V. Jones

Der britische Premier hat Neuwahlen für den 12. Dezember vorgeschlagen. Wenn das Parlament tatsächlich mehr Zeit haben wolle, um die Brexit-Gesetze zu studieren, könne es sie haben, sagte Boris Johnson dem Fernsehsender BBC. "Aber sie müssen dann einer Wahl am 12. Dezember zustimmen. Das ist der weitere Weg." Die Abgeordneten sollen dann bis zum 6. November Zeit zur Debatte bekommen.

"Es ist Zeit, dass die Opposition ihren Mut zusammennimmt, und sich selbst unserem gemeinsamen Boss stellt, dem Volk des Vereinigten Königreichs", sagte Johnson. Schatzkanzler Sajid Javid fügte hinzu: "Wir brauchen eine Wahl so bald wie möglich, um das Patt zu durchbrechen und über die Zukunft unseres Landes zu entscheiden."

Johnson benötigt Zweidrittelmehrheit

Offenbar hofft Johnson darauf, mit Hilfe einer Neuwahl die Mehrheitsverhältnisse im Parlament zu verändern und dann - mit möglichst eigener Mehrheit - seinen Brexit-Deal in britisches Recht zu gießen. Bisher führt Johnson eine Minderheitsregierung, die bereits mehrere schwere Abstimmungsniederlagen hinnehmen musste.

Brexit: Deal! Welcher Deal?

Um Neuwahlen durchzuführen benötigt der Premier jedoch eine Zweidrittelmehrheit im Parlament. Das heißt, zumindest ein Teil der Opposition müsste zustimmen. Von der kommen jedoch unterschiedliche Signale. Johnson wandte sich mit einem Brief an Labour-Chef Jeremy Corbyn und bat um Unterstützung. Laut der Labour-Abgeordnete Valerie Vaz sei ihre Partei bereit, eine Neuwahl zu unterstützen, sofern ein No-Deal-Brexit ausgeschlossen sei. Ähnlich äußerte sich die Parteichefin der Liberaldemokraten, Jo Swinson.

Vertreter der schottischen SNP lehnten eine Neuwahl dagegen ab. Ähnlich äußerte sich der Vorsitzende der walisischen Regionalpartei Plaid Cymru, Adam Price: "Die britische Regierung hat keinen schlüssigen Plan, das Brexit-Chaos zu beenden und eine Neuwahl wird das Problem nicht lösen." Bereits am kommenden Montag soll das Parlament über Neuwahlen abstimmen. Der Parlamentsvorsitzende Jacob Rees-Mogg setzte eine entsprechende Debatte auf die Tagesordnung. Der Ausgang ist offen, zumal Teile von Johnsons konservativer Tory-Partei gegen den neuen Brexit-Deal sind.

EU muss Fristverlängerung zustimmen

Eine weitere Voraussetzung für eine Neuwahl ist die Zustimmung der 27 anderen EU-Staaten, die Frist für einen geregelten Austritt Großbritanniens aus der EU zu verlängern. Sie läuft nach derzeitigem Stand am 31. Oktober ab. Grundsätzlich herrschte in der EU am Donnerstag Einigkeit über eine Verlängerung, noch nicht allerdings über deren Länge. EU-Ratschef Donald Tusk sowie das Europaparlament sind für eine neue Frist bis Ende Januar 2020. Sollte vorher die Ratifizierung eines Austrittsvertrags gelingen, könnte Großbritannien flexibel vor Fristende ausscheiden. Diese Lösung unterstützten am Donnerstag die Fraktionschefs im Europaparlament in einer Erklärung.

Den Vorschlag von Johnson wollten die EU-Institutionen nicht kommentieren. Die EU-Kommission erklärte nur, sie nehme Johnsons Ankündigung zur Kenntnis. Inländische Entwicklungen kommentiere man nicht, sagte eine Sprecherin. Auch ein Sprecher von Tusk wollte keinen Kommentar abgeben.

Widerstand aus Nordirland

Johnson hatte vergeblich versucht, seinen mit der EU ausgehandelten Deal im Schnelldurchgang in nationales Recht zu überführen. Das Parlament lehnte seinen Zeitplan ab, worauf er das Gesetzespaket auf Eis legte. Die Abgeordneten hatten befürchtet, Johnson wolle im "Kleingedruckten" Dinge verstecken, die bei flüchtigem Lesen nicht auffallen.

Tatsächlich wird die Unzufriedenheit mit dem Deal mit zunehmender Zeit größer. Vor allem in Nordirland regt sich erheblicher Widerstand. Die probritischen Loyalisten dort fühlen sich von Johnson im Stich gelassen, weil er eine Zollgrenze zwischen Nordirland und der britischen Hauptinsel errichten will. Der Fraktionschef der nordirischen Loyalisten-Partei DUP, Nigel Dodds, warnte Johnson und dessen Brexit-Minister Stephen Barclay: "Sie laufen Gefahr, hier mit dem, was sie den Unionisten antun, echten Schaden anzurichten, beim Belfast-Agreement (Karfreitagsabkommen), beim St.-Andrews-Agreement, bei den politischen Institutionen und für die politische Stabilität."

Der Polizeichef von Nordirland, Simon Byrne fürchtet, dass es zu von Loyalisten angefachten Unruhen kommen könnte, sollte es zu einem Brexit-Deal kommen, der die Union zwischen Großbritannien und Nordirland bedrohe. In Nordirland herrschte Bürgerkrieg zwischen den protestantischen, probritischen Loyalisten und den proirischen Katholiken. Die Unruhen wurden durch das Karfreitagsabkommen von 1998 weitgehend eingedämmt.

Weiteres Ungemach aus Brüssel

Sollte es zu der Neuwahl kommen, müsste Großbritannien wohl auch noch einen Vorschlag für die Besetzung eines EU-Kommissarsposten machen. Die gewählte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erklärte am Donnerstag in Helsinki, dies gelte, falls Großbritannien zum Amtsantritts ihres Teams - vorgesehen nun für Anfang Dezember - noch Mitglied der Europäischen Union sei.

ww/uh (dpa, rtr)