Duell in Seoul
19. Dezember 2012Für Park Geun-Hye ist es der zweite Anlauf auf das Präsidentenamt. Bei der letzten Wahl im Jahr 2007 hatte sie es schon einmal versucht – verlor damals aber das Nominierungsrennen ihrer konservativen Saenuri-Partei ("Partei der Neuen Grenze") gegen den aktuellen Präsidenten Lee Myung-Bak. Dessen fünfjährige Amtszeit endet im Februar 2013, wiedergewählt werden kann er nicht.
Die Wahl am 19. Dezember könnte die große Stunde der 60-jährigen Park werden, die im Falle eines Sieges die erste Frau im Präsidentenamt der viertgrößten asiatischen Volkswirtschaft wäre. Lange galt sie auch als aussichtsreichste Kandidatin. Seit aber die meisten Oppositions-Parteien sich strategisch auf einen gemeinsamen Gegenkandidaten geeinigt und den liberalen Moon Jae-In von der Vereinigten Demokratischen Partei aufgestellt hat, rechnen Beobachter mit einem Kopf-an-Kopf-Rennen bis zur letzten Minute. Die linke Vereinigte Fortschrittspartei hatte zunächst eine eigene Kandidatin, Lee Jung-Hee, ins Rennen geschickt. Diese zog aber am Sonntag (16.12.2012) ihre Kandidatur zurück, um Moon Jae-In zu unterstützen.
Die Tochter des Ex-Machthabers
Vor allem Park Geun-Hye ist in Südkorea keine Unbekannte: Sie ist die Tochter des langjährigen Militärmachthabers Park Chung-Hee, der 1961 durch einen Putsch an die Macht gekommen war und das Land danach fast 20 Jahre mit sehr harter Hand geführt hatte, bevor er 1979 von seinem Geheimdienstchef erschossen wurde. Park Chung-Hees Name ist aber nicht nur negativ belegt, sondern auch unmittelbar mit dem wirtschaftlichen Aufstieg Südkoreas verbunden, für den er den Grundstein legte. Bis heute wird die Ära Park deshalb im Land äußerst kontrovers beurteilt.
Das weiß natürlich auch seine Tochter. Die Tatsache, dass sie zu den unter ihrem Vater begangenen Menschenrechtsverletzungen nie eindeutig Stellung bezogen hatte, drohte ihren Wahlkampf zu belasten und zu gefährden. Im September entschied Park Geun-Hye sich deshalb, in die Offensive zu gehen. In einer live im Fernsehen übertragenen Rede entschuldigte sie sich bei den Opfern der Militärherrschaft für damals begangene Menschenrechtsverletzungen. Sie übermittelte "denjenigen, die während dieser Zeit gelitten haben und verletzt wurden sowie deren Familien" ihre "aufrichtige Entschuldigung".
Für Lee Eun-Jeung, Professorin am Institut für Korea-Studien an der Freien Universität Berlin, verdeutlicht diese Entschuldigung ein ganz grundlegendes Problem der konservativen Präsidentschaftskandidatin. Denn diese steht ihrer Ansicht nach eigentlich nur für ihren Vater. "Ihre politischen Ziele sind nicht klar. Sie möchte seinen Ruf oder auch seinen Ruhm verteidigen, das hat sie mehrfach betont. Aber darüber hinaus sehe ich bei ihr keine eindeutige politische Agenda." Dennoch übe die allein lebende und unverheiratete Park auf die Bevölkerung offenbar eine Anziehungskraft aus, doch die sei eher symbolisch. "Für viele Menschen spielt die Vergangenheit einfach keine Rolle mehr."
Der ehemalige Menschenrechtsanwalt
Auch Gegenkandidat Moon Jae-In ist schon seit langem ein wiederkehrender Akteur auf der politischen Bühne Südkoreas. Der 59-jährige Sohn eines nordkoreanischen Flüchtlings arbeitete früher als Rechtsanwalt. Spezialgebiet: Menschen- und Bürgerrechte. Im Jahr 2002 leitete er die Wahlkampagne des späteren Präsidenten Roh Moo-Hyun. Nach Rohs Wahlsieg hatte Moon Jae-In bis zum Ende der Legislaturperiode 2008 verschiedene Ämter in dessen Administration inne.
"Auf dem Papier steht er für mehr Umverteilung und wirtschaftliche Gerechtigkeit. Er wird nicht unbedingt die Interessen den Konzerne vertreten", sagt Lee Eun-Jeung von der Freien Universität Berlin. Auf seinen Wahlplakaten gibt er sich als "Mann der kleinen Leute" aus, aber das ist für Korea-Kennerin Lee in erster Linie Wahlkampf-Rhetorik: "Solche Slogans und tatsächliche Politik sind zwei verschiedene Dinge."
Unvermeidliches Thema: Nordkorea
Bei einem Wahlkampf-Thema demonstrieren beide Kandidaten regelrecht Einigkeit: Sowohl Park Geun-Hye als auch Moon Jae-In haben angekündigt, das Verhältnis zu Nordkorea wieder neu beleben zu wollen. Nach den Jahren der vorsichtigen Annäherung – der sogenannten "Sonnenscheinpolitik" – hatten sich die Beziehungen zwischen Seoul und Pjöngjang in den vergangenen fünf Jahren unter dem scheidenden Präsidenten Lee Myung-Bak deutlich abgekühlt. "Ich denke, sowohl Frau Park als auch Herr Moon haben keine andere Wahl als diesen Kurs umzulenken", ist Lee Eun-Jeung überzeugt. "Mit der Linie, die die Lee Myung-Bak-Regierung bis jetzt gegenüber Nordkorea beibehalten hat, hat sich die südkoreanische Regierung selbst isoliert." Fraglich sei allerdings im Fall der konservativen Kandidatin, wie viel Spielraum sie dabei tatsächlich hätte. "Ich fürchte, ihr Umfeld würde es nicht akzeptieren, wenn sie eine ganz andere Politik verfolgen würde als die jetzige Regierung."
Derzeit bemühe sich Seoul nicht sehr um die nachbarschaftlichen Beziehungen, meint auch Rüdiger Frank. Aus Sicht des Ostasien-Experten von der Universität Wien ist es schwer, einen klaren Schuldigen für das schlechte Verhältnis beider Länder auszumachen. "Es gibt eine ganze Reihe von Militärübungen, die Südkorea in Kooperation mit den Vereinigten Staaten durchführt. Die haben natürlich ihre Berechtigung und Tradition. Aber es ist auch klar, dass die Nordkoreaner das möglicherweise als ein Angriffsszenario ansehen und sich entsprechend bedroht fühlen." Und noch eine Entwicklung der vergangenen Monate habe dazu beigetragen, das Klima zwischen Nord und Süd weiter zu belasten. So habe Südkorea unlängst mit den USA die Reichweite seiner eigenen Raketen drastisch erhöht. "Fakt ist, dass Südkorea jetzt mit seinen Raketen das komplette nordkoreanische Territorium erreichen kann. Vorher durften sie das nicht, da gab es ein Abkommen, das ihnen verboten hat, solche Raketen zu haben."
Anspruchsvolle Herausforderungen
Egal wie die Wahl am Ende ausgeht: Auf den künftigen Staatschef warten große Aufgaben, meint die Berliner Professorin Lee Eun-Jeung. Denn der scheidende Präsident Lee Myung-Bak hinterlasse zwar ein Land, das sich von der Wirtschaftskrise gut erholt habe. Aber auch ein Land, in dem die Kluft zwischen Arm und Reich immer größer werde und in dem es kaum noch eine Mittelschicht gebe. "Insgesamt betrachtet geht es einem Teil der Gesellschaft gut, einem größeren Teil aber nicht so gut."