Pound: "Kontrolle ist der Schlüssel"
15. Januar 2016DW: Sie haben gesagt, Lord Coe sei der richtige Mann für den Job. Wie soll es jetzt weitergehen mit der IAAF, wenn man bedenkt, wie viel Korruption es im Weltverband gab?
Richard Pound: Zunächst einmal müssen wir auf dem Schirm haben, dass die Dinge in einem Maße außer Kontrolle geraten sind, das niemand erwartet hätte. Wir müssen dafür sorgen, dass so etwas nie mehr wieder passiert. Wie können wir das schaffen? Verfügen wir über einen Ethik-Code? Haben wir Ethik-, Compliance-Beauftragte oder Ombudsmänner? Wir müssen in der Lage sein, Fehlverhalten schon im Vorfeld zu erkennen, oder zumindest früh genug, um noch schnell genug etwas dagegen unternehmen zu können. Wir müssen herausfinden, wie wir das am besten hinkriegen können. Es muss eine klare Pflicht geben zu melden, wenn etwas falsch läuft.
Im Fokus der beiden Berichte der Untersuchungskommission steht Russland. Warum wurden keine anderen Länder herausgegriffen, wie zum Beispiel Kenia?
Ganz einfach, weil die Beweise noch nicht ausreichten, um damit umzugehen. Im Falle der Russen lagen uns jede Menge Beweise vor, die Informanten beschafft hatten. Wir hatten Dokumente. Das war nicht nur "Er sagte, sie sagte", was jederzeit geleugnet werden kann. Das waren Beweise. Die gab es in diesem Umfang für Kenia noch nicht. Ich denke, Hajo Seppelt [Der ARD-Dopingexperte enthüllte mit zwei Fernsehdokumentationen den Skandal in der Leichtathletik - Anm. der Redaktion] hat auch dort gut gearbeitet. Aber er musste damit klarkommen, dass er dort keine Unterstützung von Athletenseite erhielt. Deshalb konzentrierte er sich darauf zu zeigen, wie einfach es ist, sich in Kenia Dopingmittel zu beschaffen. Aber das hat schon eine andere Dimension. Die Kenianer haben sehr lange gebraucht, um überhaupt anzuerkennen, dass es da ein Problem gibt, letztendlich haben sie eine Arbeitsgruppe eingesetzt. Wir hoffen, dass es eine echte Untersuchung geben wird. Wenn dies nicht geschieht, wird wahrscheinlich eine weitere unabhängige Kommission diese Aufgabe übernehmen müssen.
Sie bezeichnen den früheren IAAF-Präsidenten Lamine Diack als Schlüsselfigur, der sogar seine Familie in die Korruption mit eingebunden habe und fordern, dass so etwas nie wieder vorkommen dürfe. Aber ist es nicht überraschend, dass es überhaupt geschehen konnte?
In der Tat. Ich weiß nicht, ob es eine kulturelle Sache ist, dass er seine Familie beteiligt hat. Entscheidender aber ist in meinen Augen, dass es sich bei dem Übeltäter um den Präsidenten eines internationalen Verbandes handelte, der Jahr für Jahr Fairness, Ehrlichkeit und Wettbewerb predigte. Die Korruption fand ganz oben statt: beim Präsidenten, dem Schatzmeister, dem Leiter der Anti-Doping-Abteilung. Das waren Leute, denen alle Welt - einschließlich Sportler, Sponsoren und Fernsehpublikum - vertraute, dass sie sicherstellten, dass in ihrem Sport alles sauber lief. Und genau diese Leute korrumpierten den Sport. Das ist nicht gut.
Lassen Sie uns zuletzt über Transparenz reden. Muss es jetzt nicht eine Abkehr von der Machtfülle geben? Ist es der Schlüssel, für mehr Demokratie im Verband zu sorgen?
Schon der gesunde Menschenverstand sagt uns, dass es eine gegenseitige Kontrolle geben muss. Bisher gibt es eine ungezügelte Macht für den Präsidenten, der im Grunde als einziger 365 Tage lang 24 Stunden da ist. Die Mitglieder des Council kommen und gehen, sie treffen sich zweimal im Jahr, alle zwei Jahre gibt es einen Kongress. Es liegt doch auf der Hand, dass dieses System in irgendeiner Form kontrolliert werden muss.
Der Kanadier Richard Pound ist Jurist. Seit 1978 gehört der frühere Leistungsschwimmer dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) an. Von 1999 bis 2007 leitete Pound die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA). Der 73-Jährige war Vorsitzender der unabhängigen WADA-Untersuchungskommission zum Doping- und Korruptionsskandal in der Leichtathletik.
Das Interview führte Jonathan Harding.