Poroschenko: Neuer Präsident, altes Team
7. Juni 2014Mit 48 Jahren ist Petro Poroschenko der jüngste unter den fünf Präsidenten, die die Ukraine seit 1991 regiert haben. Er ist der erste Staatschef einer Generation, die in der Sowjetunion sozialisiert wurde, berufliche Erfolge jedoch in der unabhängigen Ukraine feierte. Anders als seine Vorgänger spricht er fließend Englisch und ist mit einem geschätzten Vermögen von mehr als einer Milliarde US-Dollar bedeutend reicher. Zwei Wochen nach seinem Sieg bei der vorgezogenen Präsidentschaftswahl ist Poroschenko am Samstag (07.06.2014) vereidigt worden.
Der Unternehmer verdankt seinen Aufstieg der Bürgerbewegung gegen Korruption und für eine Westorientierung der Ukraine. Hunderttausende hatten auf dem Unabhängigkeitsplatz (Maidan) in Kiew im Winter neue Gesichter in der Politik gefordert. Poroschenko stand damals mit auf der Bühne und hörte wohl genau zu. Während seines Wahlkampfs versprach er "ein neues Leben" - ohne Korruption und in Wohlstand. Abgesehen vom Versprechen, die von Russland annektierte Halbinsel Krim zurückzuholen, enthielt sein Wahlprogramm kaum etwas, was nicht von seinen Vorgängern schon versprochen wurde.
Immer in der Nähe der Staatsmacht
Seine politische Karriere begann der Eigentümer mehrerer Süßwarenfabriken 1998, als er für die Sozialdemokratische Partei der Ukraine ins Parlament einzog. Kritiker nannten die Partei einen "Oligarchenverein", denn an der Spitze standen reiche Geschäftsmänner. Poroschenko war auch Gründungsmitglied der "Partei der Regionen", die nun von der Maidan-Bewegung weggefegt wurde.
Wie andere Oligarchen in der Ukraine suchte auch Poroschenko stets die Nähe zur Staatsführung, blieb aber nie lange in einem Amt. Er war Chef des Sicherheitsrats und Außenminister unter dem prowestlichen Präsidenten Viktor Juschtschenko. Auch mit dessen Nachfolger, dem prorussischen Staatschef Viktor Janukowitsch, arbeitete Poroschenko zusammen und war für einige Monate Wirtschaftsminister.
Das Erbe von Juschtschenko
Gerufen wurde auf dem Maidan nach einem Generationswechsel in der Politik, doch Poroschenkos Präsidentschaft scheint eine Rückkehr von Juschtschenkos Mannschaft durch die Hintertür zu sein. Das gilt in erster Linie für Poroschenko selbst. Als Unternehmer hat er Juschtschenko vor und besonders während der "Orangenen Revolution" 2004 wie kaum ein anderer unterstützt. Beide sind eng befreundet. Juschtschenko ist Patenonkel von Poroschenkos Zwillingstöchtern.
Da Juschtschenko inzwischen sehr unbeliebt ist, vermied Poroschenko während seines Wahlkampfs, seine Freundschaft mit dem Ex-Präsidenten zu betonen. Wer sein Team unter die Lupe nimmt, stellt aber schnell fest: Es sind Leute aus der Zeit Viktor Juschtschenkos. So wurde Poroschenkos Wahlkampf von Ihor Hryniw geplant. Der 53-jährige Parlamentsabgeordnete und ehemalige Direktor des Kiewer Instituts für strategische Studien beriet einst Juschtschenko. Später saß er für dessen Partei "Nascha Ukraina" (Unsere Ukraine) im Parlament. Auch der 43-jährige Außenpolitikexperte und Diplomat Valeri Tschaly gehörte zu Juschtschenkos Mannschaft. In Poroschenkos Wahlkampf war er für außenpolitische Fragen zuständig. Ebenso ist der 60-jährige Roman Swarytsch wieder da. Der frühere Justizminister unter Juschtschenko berät Poroschenko in Rechtsfragen.
Ein ähnliches Bild bietet sich in der Provinz. So leitete Viktor Baloha, Präsidialamtschef unter Juschtschenko, Poroschenkos Wahlkampf in der westukrainischen Provinz Transkarpatien.
Keine eigene Partei im Parlament
Als Präsident wird Poroschenko weniger Macht als sein gestürzter Vorgänger Janukowitsch haben. Eine entsprechende Änderung des Regierungssystems verabschiedete das ukrainische Parlament im Februar. Das wahre Machtzentrum ist nun das Parlament und das von ihm bestimmte Kabinett. Poroschenko hat bereits angekündigt, mit dem derzeitigen Ministerpräsidenten Arsenij Jazenjuk von der Partei "Batkiwschtschina" (Vaterland) zusammenzuarbeiten. Vorsitzende der Partei ist die ehemalige Ministerpräsidentin Julia Timoschenko.
Poroschenko ist zudem auf den frisch gewählten Kiewer Bürgermeister und Boxweltmeister Vitali Klitschko und dessen Partei UDAR (Schlag) angewiesen. Beide hatten noch vor den Wahlen ein Bündnis geschlossen. Klitschko hat eine starke Fraktion im Parlament, während Poroschenkos 2001 gegründete eigene Partei "Solidarnist" (Solidarität) bisher eher nur auf dem Papier existiert. In Umfragen jedoch profitiert "Solidarnist" von Poroschenkos Popularität und liegt mit rund 17 Prozent vorn. Poroschenko strebt vorgezogene Parlamentswahlen noch in diesem Jahr an und hofft, dass seine Partei stärkste Kraft wird.
Helfen dürften ihm dabei Juri Stez und Juri Luzenko. Der 38-jährige Stez leitete über zehn Jahre Poroschenkos eigenen Fernsehsender "Kanal 5". Im Sommer 2013 wurde der Parlamentsabgeordnete Stez zum Vorsitzenden der "Solidarnist"-Partei gewählt. Der 49-jährige Luzenko war Innenminister unter Juschtschenko, saß unter Janukowitsch im Gefängnis und warb im Wahlkampf für Poroschenko. Beide sind erfahrene Politiker und keine neuen Gesichter, die die Maidan-Bewegung noch vor wenigen Monaten gefordert hatte.