Politischer Kabarettist erster Güte: Werner Schneyder ist tot
Als Kabarettist mit Doktortitel nahm er die Politik scharfsinnig aufs Korn. Als Ringrichter und Sport-Moderator kommentierte er legendäre Boxkämpfe. Am liebsten aber stand er auf der Bühne. Jetzt starb Schneyder mit 82.
Markenzeichen: Igelschnitt
Im Gegensatz zu seinem verstrubbelten Haarschnitt waren seine oft hochpolitischen Gedankengänge auf der Bühne oder auch in den Talk-Shows in Deutschland klar und unmissverständlich. Der Österreicher Werner Schneyder legte bei seinen kabarettistischen Auftritten gern den Finger in die Wunden der Fernsehnation. - wie hier bei Radio Bremen in der Sendung "Drei nach Neun" im Oktober 2016.
"Das Literarische Kolloquium" (1975)
Die legendäre ZDF-Sendung "Das Literarische Quartett" hat deutsche Mediengeschichte geschrieben. Hier diskutierten die klügsten Köpfe, die streitlustigsten Literaten und die eloquentesten Philosophen. Im Februar 1975 war Kabarettist Werner Schneyder, der gern lässige Cordanzüge trug, zu Gast bei Moderator Walter Schmieding (re. Volker Ludwig). Thema der Sendung: "Scherz, Satire, Ironie".
Boxring als Arena
Dem Profi-Kabarettisten fiel der verbale Schlagabtausch vor der Fernsehkamera nicht schwer. Am Rande des Boxrings punktete er viele Jahre als fachkundiger Moderator bei legendären Boxkämpfen, die im Fernsehen übertragen wurden. Hier 2003 im Gespräch mit ZDF-Kollege Wolf-Dieter Poschmann in der Jubiläumssendung zu 40 Jahre "Aktuelles Sportstudio".
Ringrichter
Seine Fachkenntnis zum Boxsport hatte Werner Schneyder seiner Arbeit als Ringrichter zu verdanken. Hier überwachte er einen Kampf bei der Staatsmeisterschaft im österreichischen Köflach im Jahr 1981. Ob seine Schlagfertigkeit, mit der er manches Mal seine Pointen knapp unter der Gürtellinie platzierte, aus dieser Zeit stammt, gehört zur Legendenbildung seiner Biografie.
Geniales Duo
In Dieter Hildebrandt (Jg. 1927) hatte der Österreicher Werner Schneyder seinen Meister gefunden - und einen extrem witzigen Bühnenpartner. 1974 begannen die beiden mit ihrer Sendung "Talk täglich" eine über Jahre erfolgreiche Zusammenarbeit als Duo. Bis 1982 unterhielten sie mit ihrer Schlagfertigkeit und politisch nicht immer korrekten Pointen die Zuschauer auf höchstem Niveau.
Rampensau
Schneyder war Bühnenkünstler durch und durch. Seine Musikalität kannten aber nur wenige in Deutschland. Bei Konzerten in seiner Heimat Österreich genoss er als Sänger das Bad in der Menge und begeisterte Tausende von Zuhörern. Bei Veranstaltungen, wie hier 1992 beim Konzert auf dem Wiener Heldenplatz, konnte er sein vielseitiges Talent öffentlichkeitswirksam präsentieren.
Humoristische Seelenverwandschaft
Bis zum Tod von Dieter Hildebrandt im Jahr 2013 arbeiteten die beiden politischen Kabarettisten immer wieder zusammen, u.a. viele Jahre in der legendären "Münchner Lach- und Schießgesellschaft". Werner Schneyder, der 1937 in Graz geboren wurde, war später häufig Gast in Hildebrandts Kabarett-Sendung "Scheibenwischer". Beide engagierten sich auch politisch.
"Dem Volk aufs Maul geschaut"
Bis zum Schluß liebte es der Österreicher "dem Volk die Leviten zu lesen". Seine Art der Gardinenpredigt machte nicht vor den Mächtigen dieser Republik halt, den Politikern und Wirtschafts- und Gewerkschaftsbossen. Schneyder bezeichnete sich gern als "vielfarbig": "Ich bin in einigen Punkten erzkonservativ, in anderen grün, flächendeckend liberal und sozialpolitisch sehr links."
Leiser Abgang
Das Leben des 82-Jährigen fand am Schluss nicht mehr so häufig auf einer Bühne statt. Er hatte sich sehr zurückgezogen und schrieb lieber Bücher als Satiretexte. Am Samstag (02.03.2019) fand man ihn tot in seiner Wohnung. Mit Werner Schneyder ist einer der ganz Großen des deutschsprachigen Kabaretts gegangen.