Politiker und Lobbyismus: ein Ländervergleich
25. August 2017Bei "Dieselgate" geht es um mehr als Luftverschmutzung und die Beschädigung des guten Rufs der deutschen Autobauer. Der Skandal um manipulierte Abgaswerte wirft auch ein Schlaglicht auf die engen Verbindungen zwischen Deutschlands Schlüsselindustrie und der Politik.
Niedersachsen ist Teilhaber von Volkswagen. Das Bundesland hält 20 Prozent der Aktien des Wolfsburger Konzerns. Lange bevor er Außenminister wurde, war Sigmar Gabriel Ministerpräsident von Niedersachsen. In dieser Funktion war er von 1999 bis 2003 Mitglied des Aufsichtsrats von VW. Ein Posten, den mittlerweile der amtierende niedersächsiche Ministerpräsident Stephan Weil innehat.
Vorsprung durch Technik
Dies ist nicht das einzige Beispiel für die engen Verbindungen von Politik und Automobilindustrie. Daimlers Cheflobbyist Eckart von Klaeden ist ehemaliger CDU-Politiker und war bis 2013 unter Bundeskanzlerin Angela Merkel Staatsminister im Kanzleramt. Sein Parteikollege Matthias Wissmann, Vorsitzender des Verbandes der Deutschen Automobilindustrie, war von 1993 bis 1998 Bundesverkehrsminister.
Das Problem sei nicht neu, sagt Timo Lange, Sprecher von Lobbycontrol. Das Engagement von Gerhard Schröder bei Rosneft sei ein weiterer Tiefpunkt, nachdem der Ex-Kanzler zuvor bereits in Diensten des russischen Energieriesen Gazprom gestanden habe. "Am Ende seiner Amtszeit setzte er sich für den Bau einer Pipeline durch die Ostsee ein - und nachdem er das Kanzleramt verlassen hatte, bekam er den Job [bei Gazprom]."
Abkühlungsphase
Eckard von Klaedens damaliger abrupter Wechsel zu Daimler veranlasste die Staatsanwaltschaft Berlin, ein Ermittlungsverfahren wegen Anfangsverdacht der Vorteilsnahme einzuleiten. Das Verfahren wurde jedoch später eingestellt. Zudem wurden neue Regeln für eine sogenannte "Abkühlungsphase" eingeführt, in der ehemalige Amtsträger keinen Posten in der Wirtschaft übernehmen dürfen.
"2015 hat die Regierung ein Gesetz beschlossen, das zum ersten Mal die Beschäftigung von Regierungsmitgliedern und Staatssekretären nach ihrer Amtszeit regelt", sagt Lange. "Es sieht eine 18-monatige Abkühlungsphase vor. Aber es ist bislang noch nicht angewendet worden, weil seitdem kein Mitglied der Regierung mehr einen solchen Wechsel vollzogen hat."
Herr Smith geht nach Washington
Der preisgekrönte Film von Frank Capra aus dem Jahr 1939 handelt von einem idealistischen Mann, dessen Glaube an Demokratie und Ethik auf politische Betrügereien im unmoralischen Washington trifft. Knapp 80 Jahre später ist der Einfluss der Reichen und Mächtigen unverändert.
Als Donald Trump US-Präsident wurde, versprach er, den "Sumpf", wie er es nennt, trocken zu legen. Anfang des Jahres unterzeichnete er ein Dekret, dass es Mitgliedern seines Teams erschwert, Lobbyarbeit zu leisten, nachdem sie das Weiße Haus verlassen haben.
Dieses Lobbyverbot dauert länger als die Zwei-Jahres-Schwelle, die von Barack Obama 2009 eingeführt worden war. Es gibt jedoch Ausnahmen: So gilt die Regelung nicht für Mitarbeiter des Kongresses.
"Für Kongressmitglieder und ihre Mitarbeiter gibt es andere Regelungen als für Mitglieder der Regierung", sagt Lange. "Und Trump hat in den letzten Monaten eine Reihe von Ausnahmen erlassen, die einige Leute von den Regeln befreit."
Generell gebe es zu viele Schlupflöcher, sagt Lange. "Leute beginnen unmittelbar nach ihrer Amtszeit mit Lobbyarbeit, zum Beispiel können ehemalige Mitarbeiter des Senats im Weißen Haus Lobbyarbeit machen."
"Ich nehme meinen Mantel"
In Großbritannien regelt das Advisory Committee on Business Appointments (ACOBA) den Übertritt ehemaliger Minister und Offizieller in den privaten Sektor. Ein kürzlich veröffentlichter Bericht eines Parlamentsausschusses stellte fest, dass das Komitee "ineffektiv" und "zahnlos" sei und seine Schwäche das Vertrauen in die Politik und die Institutionen beschädigt habe.
ACOBA soll sicherstellen, dass Mitarbeiter im öffentlichen Dienst kein Insiderwissen in den Privatsektor tragen können. Aber das Komitee kann keine Untersuchungen oder gar Sanktionen gegen diejenigen verhängen, die die Regeln ignorieren.
Der Bericht kam kurz nachdem der ehemalige Schatzkanzler der Tories, George Osborne, Chefredakteur des London Evening Standard geworden war, und gleichzeitig sein Mandat als Parlamentsabgeordneter behalten hatte.
"Oh Kanada"
In Kanada läuft es besser. Das Land gilt als eine Art Pionier bei der Regelung von Lobbyismus. Kanadas Lobbying Act ist ein verpflichtendes Registrierungs- und Meldesystem. Es beruht auf der Idee, dass Transparenz und Offenlegung zu öffentlichem Vertrauen und behördlicher Verantwortlichkeit führen. Bei der Lobbyisten-Registrierung müssen die Beteiligten nicht nur sich selbst und ihre Klienten und den Bereich, in dem sie Lobbyarbeit leisten, kenntlich machen, sondern auch alle öffentlichen Ämter, die sie früher einmal innehatten, auflisten.
Jenseits der Transparenz zielt Kanadas Lobbying Act außerdem auf Regeln, um Aktivitäten nach der Politik zu steuern. "Es gibt dort eine fünfjährige Abkühlungsphase, in der ehemalige Amtsträger kein registrierter Lobbyist werden können", sagt Lange. Das ist eine gute Sache, weil es bedeutet, dass nicht nur verboten ist, bei seiner ehemaligen Behörde zu lobbyieren, sondern auch überhaupt Lobbyist zu werden."
Anders als in anderen Ländern gibt es in Kanada effektive Instrumente, um die Regeln auch durchzusetzen. "Es gibt einen Kommissar für Interessenkonflikte und einen Kommissar für Transparenz, der das überwacht und der einen Bruch der Regeln auch sanktionieren kann", erklärt Lange.
Für einen Bruch der Regeln wird eine Strafe von bis zu umgerechnet 34.000 Euro verhängt, hinzu kommt die öffentliche Schmach. Von Kanada könne Deutschland eine Menge lernen, sagt Lange.