Wie umgehen mit Polens Reparationsforderungen?
Manchmal eröffnet der Zufall interessante Perspektiven: Zeitgleich luden in dieser Woche je ein Think-Tank in Berlin und in Warschau zu Diskussionen. In Berlin, vor einem deutschen Publikum, sprach ein Berater des polnischen Präsidenten - ein zentrales Thema der Diskussion dabei die Reparationsforderungen, die die polnische Regierung aufstellt. Gerade zu Beginn der Woche hatte ein Gutachten des Sejm, des polnischen Parlaments, die Rechtmäßigkeit der Forderungen bestätigt.
Zur gleichen Zeit in Warschau: Debattiert wird das Thema Populismus und Solidarität in Europa. Auf dem Podium - neben einem anderen Berater des polnischen Präsidenten - auch Panelisten aus Deutschland. Das polnische Publikum fragt durchaus kritisch nach der deutschen Migrationspolitik, nach der deutschen Rolle in Europa - aber das Thema Reparationen kam nicht zur Sprache, kein einziges Mal.
Bekannte Muster
Im Anschluss an die Veranstaltung danach befragt reagierten die meisten mit Aufstöhnen und Augenrollen. Der Ruf nach Reparationsleistungen der Deutschen kommt von der populistischen Regierungspartei PiS immer gern, wenn innenpolitisch sonst nicht alles so gut läuft. In der Vergangenheit konnte man sich auch sicher sein, dass sich eine absolut überwältigende Mehrheit hinter diesem Anspruch versammeln würde.
Zu furchtbar war das, was Nazi-Deutschland Polen angetan hat. Daran besteht nach wie vor kein Zweifel. Aber das Thema zieht offenbar bei der jungen Generation in Polen nicht mehr. Umfragen geben je nach Fragestellung unterschiedliche Mehrheiten an: Zwischen 49 und 63 Prozent liegen die Befürworter der Reparationsforderungen; in einer anderen Umfrage bezeichnen gut zwei Drittel der Befragten die Reparationsfrage als abgeschlossen.
Die deutsche Regierung und der Bundestag sehen das auch so: Rechtlich sei das Thema durch. Für Besorgnis taugt es trotzdem: Um das polnisch-deutsche Verhältnis steht es unter der PiS-Regierung nicht zum besten, das Vertrauen auf ein Handeln der PiS-Regierung, das von Vernunft, nachbarschaftlicher Zuneigung und Bindung innerhalb der Europäischen Union geleitet ist, ist nicht groß. Experten warnen vor den Folgen der Reparationsforderungen, zum Beispiel damit auch Territorialfragen, die längst abgeschlossen waren, nicht wieder eröffnet werden. Nicht nur die deutsch-polnische Aussöhnung stehe da auf dem Spiel, wer die Westgrenze Polens mit Reparationsforderungen in Frage stelle, riskiere auch Auseinandersetzungen über die Ostgrenzen zur Ukraine und Weißrussland.
Andere Angebote
Die Empfehlung der polnischen Gesprächspartner dagegen für den Umgang mit den Reparationsforderungen: Ignorieren, sich nicht provozieren lassen, das geht vorbei. In der Tat ließen sich durch Ignorieren eingesparte Zeit und Aufwand sinnvoller für die deutsch-polnische Aussöhnung einsetzen. Investitionen in das deutsch-polnische Jugendwerk zum Beispiel. Oder in einen Zukunftsfonds, wie er in Griechenland und Italien funktioniert: Wissenschaftliche und gesellschaftliche Aktivitäten fördern, die sich mit den Weltkriegsereignissen befassen. Projekte auf kommunaler Ebene könnten so eine gemeinsame deutsch-polnische Erinnerungskultur schaffen und gegenüber den Opfergemeinden Zeichen gegen das Vergessen und für die Versöhnung setzen. Voraussetzung dafür ist allerdings guter Wille. Dann liegt dort die Zukunft.
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