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Pokern um die Präsidentschaft

Marc Koch, DW-Studio Südamerika26. Mai 2014

Bei den Präsidentschaftswahlen in Kolumbien hat Amtsinhaber Santos gegen seinen härtesten Widersacher verloren. Jetzt müssen beide in die Stichwahl. Dann geht es um Krieg oder Frieden.

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Graffiti von Rebellen der FARC (Foto: LUIS ROBAYO/AFP/Getty Images)
Bild: Getty Images/Luis Robayo/AFP

Es waren die ruhigsten und friedlichsten Wahlen in Kolumbien seit Menschengedenken. Und dennoch ist das Ergebnis enttäuschend: Denn nur 40 Prozent der 33 Millionen Wahlberechtigten gaben am vergangenen Sonntag (25.05.2014) ihre Stimme ab.

Kolumbiens Staatschef Juan Manuel Santos hat noch am Wahlabend klargemacht, dass er seinen Friedenskurs nicht ändern wird, auch wenn er nun in die Stichwahl muss. In einer roten Windjacke, mit weißer Friedenstaube am Revers, hat er die Richtung für die zweite Abstimmung vorgegeben: Nach 50 Jahren Bürgerkrieg und mehr als 200.000 Toten ist ihm nichts wichtiger als ein Friedensabkommen mit der Guerilla.

Ein Blick auf die Ergebnisse zeigt, wo Santos' Botschaft ankommt – und wo sich sein Widersacher, der rechtskonservative Óscar Iván Zuluaga, Gehör verschaffen konnte: In den Provinzen Cauca, Valle und Nariño und all den anderen kriegsgeschüttelten Regionen haben die Menschen Santos und seinen Friedenskurs gewählt.

Wahlen Kolumbien Präsident Juan Manuel Santos (Foto: REUTERS/Jose Miguel Gomez)
Staatschef Santos will als Friedensstifter in die Geschichte Kolumbiens eingehenBild: Reuters

Wirtschaftswachstum trotz Bürgerkrieg

Doch im Landesinneren, in den größeren Orten und vor allem in der Hauptstadt Bogotá, hat Santos' Kampagne nicht richtig funktioniert: In den urbanen Regionen zeigt sich, dass die Kolumbianer noch andere Sorgen haben als den jahrzehntelangen Kampf ihres Staates gegen die FARC-Guerilla (Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia). In den Ballungsräumen stehen Themen wie steigende Kriminalität oder teure Gesundheitsversorgung und Bildungsangebote des Landes zur Debatte.

Dass Kolumbiens Wirtschaft eine der am schnellsten wachsenden in Lateinamerika ist, bestreitet niemand. Doch längst nicht alle Kolumbianer profitieren davon. Präsident Santos verspricht, dass sich das nach einem Friedensschluss mit den FARC ändern wird. Um beeindruckende sieben Prozent werde die Wirtschaft zulegen, sagt der Amtsinhaber.

Doch längst nicht alle teilen diesen Optimismus: "Ungefähr 85 Prozent des kolumbianischen Bruttoinlandsproduktes kommen aus Bereichen, die von diesem Guerillakrieg überhaupt nicht betroffen sind", erklärt der Analyst Alberto Bernal. Klar ist: Mit solch vagen Versprechen überzeugt man keine Mehrheiten.

Juan Manuel Santos hätte das wissen müssen. Trotzdem hat er seinen Wahlkampf monothematisch auf den Frieden konzentriert. Das ist sicher das wichtigste Ziel – aber es kann nicht das einzige sein. Sein Konkurrent in der Stichwahl, Óscar Iván Zuluaga, und dessen politischer Mentor, Ex-Präsident Álvaro Uribe, haben das begriffen. Und sie haben ihre Kampagne darauf zugeschnitten.

Präsidentschaftswahl in Kolumbien 25.05.2014 (Foto: REUTERS/Fredy Builes)
Erfolgreich: Rivale Óscar Zuluaga zwang Amtshinhaber Santos in die StichwahlBild: Reuters

Verfolgen oder verhandeln

Nach Ansicht von politischen Beobachtern führt dieser Kurs Kolumbien in die Vergangenheit: Als Präsident würde Zuluaga den Guerrilleros harte Bedingungen stellen. Seine Strategie würde den Friedensprozess, den das Land schon dreimal vergeblich begonnen hat, und in dem es noch nie so weit vorangekommen war wie jetzt, erneut zurückwerfen. Stattdessen würden die alten, unkontrollierten Emotionen wieder ausgegraben: Hass, Angst und Rachsucht.

Kein Platz für Pokerspiele

Was die Kolumbianer am 15. Juni bei der Stichwahl entscheiden müssen, ist genau dieses: Die Frage nach Krieg oder Frieden. Alles andere sind nachgeordnete Themen. Bei der entscheidenden Frage haben sie jetzt, wo nur noch zwei Kandidaten übrig sind, eine klare Alternative. Dies könnte zu einer höheren Wahlbeteiligung führen als am vergangenen Sonntag.

Vielleicht haben viele Kolumbianer auch hoch gepokert, um ihrem amtierenden Präsidenten zu zeigen, dass sie noch andere Dinge auf der politischen Agenda sehen möchten. Das war ihr gutes Recht. Aber sie müssen wissen, dass in der zweiten Runde kein Platz mehr ist für Pokerspiele.