Pjöngjang errichtet neue Drohkulisse
3. August 2006Nach einem Bericht des südkoreanischen Instituts für Außenpolitik und Nationale Sicherheit (Ifans) hat Nordkorea entlang seiner Ostküste Abschussrampen für über 250 Mittel- und Langstreckenraketen installiert. Die Raketen der Typen "Rodong" und "SSN-6" besitzen eine Reichweite von 2200, beziehungsweise bis zu 4000 Kilometern und könnten somit japanisches Staatsgebiet sowie dort befindliche US-Militärstützpunkte treffen.
Ferner wurden nur 50 Kilometer nördlich der entmilitarisierten Zone zwischen Nord- und Südkorea sowie entlang der Grenze zu China unterirdische Raketenstützpunkte gebaut. Erst im Juli hatte Nordkorea die Raketen nahe der japanischen Küste internationalen Warnungen zum Trotz zu Testzwecken gezündet und dadurch weltweite Entrüstung ausgelöst. Nach Berichten der US-Armee sind dabei sieben Geschosse nur wenige hundert Kilometer vor Japan ins Meer gestürzt.
Internationales Netzwerk
Pjöngjang habe zudem bei der Entwicklung von Langstreckenraketen des Typs "Taepodong-2" mit Teheran zusammengearbeitet. Die Raketen könnten zumindest theoretisch auch Alaska treffen und sind ebenfalls am 5. Juli - laut US-Angaben allerdings ohne Erfolg - getestet worden. Sie basieren auf die gleiche Technologie wie die iranischen "Shehab-5" und "-6"-Geschosse - womit sich auch erklären ließe, weshalb beim nordkoreanischen Raketentest mindestens ein iranischer Beobachter anwesend war. Dies wurde von Christopher Hill, US-Unterhändler für Nordkorea, damals berichtet.
Die besorgniserregende Zusammenarbeit zwischen Iran und Nordkorea profitiere laut Ifans zumindest indirekt auch von einem iranisch-chinesischen Rüstungsabkommen: Technologie und Design der "Taepodong"- und "Shehab"-Raketen gehen dem Anschein nach auf chinesische Baupläne zurück. Auch Pakistan sei Teil des internationalen Netzwerks, das es dem völlig verarmten Nordkorea ermögliche, trotz knapper Ressourcen Raketen zu entwickeln, aufzustellen und abzuschießen.
Eine Reihe von Aggressionen
Die jüngste Aufstellung der "Rodong"- und "SSN-6"-Raketen sowie die Arbeit an "Taepodong" - all dies sind Puzzleteile eines bedrohlichen Gesamtbildes, das Nordkorea derzeit seinen Nachbarn reihum abgibt. So kam es erst vergangenen Montag (31.7.) zum ersten Mal seit Oktober 2005 wieder zu einem Schusswechsel an der gemeinsamen Grenze zwischen Nord- und Südkorea. Der Zwischenfall wurde von nordkoreanischen Soldaten ausgelöst, die einen südkoreanischen Wachposten unter Beschuss nahmen.
Die Spannungen zwischen den beiden Staaten, die sich seit dem Ende des Korea-Konflikts 1953 nach wie vor formell im Krieg befinden, sind seit dem Raketentest am 5. Juli erneut auf einem neuen Höhepunkt. "In Verbindung mit Pjöngjangs Atomplänen begreifen wir die Gesamtsituation als große Bedrohung", sagt Yun Deok-Min, ein Rüstungsexperte des Ifans.
Auch in Japan betrachtet man die Drohgebärden Nordkoreas mit großer Sorge. Schon seit den Raketentests stehen die militärischen Möglichkeiten des Landes zur Verteidigung gegen Nordkorea im Zentrum der öffentlichen Debatte. Im drastischen Gegensatz zu Japans pazifistischem Selbstverständnis kam erstmals seit Ende des zweiten Weltkriegs auch der Ausdruck "Präventivschlag zur Selbstverteidigung" zur Sprache. Rechtsnationale Strömungen in Japan, bislang hauptsächlich aus politisch vernachlässigbaren Gruppen bestehend, sehen sich durch die jüngsten Raketenaufstellungen Nordkoreas weiter bestätigt und gewinnen durch die "Präventivschlagdebatte" zunehmend an Boden.
Viertgrößtes Arsenal weltweit
Nordkorea hat mit über 1000 Raketen unterschiedlicher Reichweiten das weltweit viertgrößte Arsenal. Allein dieses Jahr soll Pjöngjang mit Waffenlieferungen - hauptsächlich "Scud"-Raketen - an Iran, Libyen, Syrien, Ägypten, Jemen, Vietnam und Sudan rund 120 Millionen Euro umgesetzt haben. Nach eigenen Angaben vom Februar 2005 verfügt das Land auch über Atomwaffen. Im Zuge der Sechs-Parteien-Gespräche mit den USA, Russland, China, Japan und Südkorea sollte Nordkorea davon abgebracht werden, sein Atomprogramm voranzutreiben. Diese Gespräche liegen derzeit jedoch auf Eis. (lc)