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Pipeline mit Hindernissen

Rodion Ebbighausen5. Juni 2013

Der erste Teilabschnitt der Myanmar-China Pipeline ist gegen den Willen vieler Betroffener eröffnet worden. Es ist fraglich, ob ein reibungsloser Betrieb gewährleistet werden kann.

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(c) dpa
Bild: picture-alliance/dpa

Myanmar hat das Potential, zur wichtigsten Energie-Drehscheibe Südostasiens zu werden. Es bildet eine Landbrücke zwischen Indien und China, ohne dass der Dauerfrost des Himalayas überwunden werden muss. Die beiden bevölkerungsreichsten Länder der Erde reißen mit ihrer rasanten Wirtschaftsentwicklung die ganze Region mit.

Diese günstige Lage wurde längst vom großen Nachbarn China erkannt. Zurzeit entsteht ein reger grenzüberschreitender Personen- und Warenverkehr. Doch das reicht Peking nicht. Neue Verkehrsrouten müssen erschlossen werden. Jetzt planen beide Regierungen zwei Großprojekte: zwei Pipelines, die das energiehungrige Reich der Mitte mit Öl und Gas versorgen sollen, und eine neue Eisenbahnstrecke von der birmanischen Hafenstadt Sittwe bis zum chinesischen Nanning. Über die Metropole im Südwesten Chinas führt die Bahnlinie weiter ins Landesinnere nach Norden, oder aber auch südlich zur vietnamesischen Hauptstadt Hanoi.

Strategische Interessen Chinas

Der erste Teilabschnitt der Pipelines ist heute (03.06.2013) fertiggestellt worden. Der staatliche chinesische Ölkonzern China National Petroleum Corporation (CNPC) investierte in den letzten vier Jahren rund zwei Milliarden Euro. Je eine Gas- und Rohölpipeline verbinden Chinas südwestlichste Provinz Yunnan mit einer Gasförderanlage vor der Küste Myanmars beziehungsweise einem Ölterminal vor der birmanischen Hafenstadt Kyaukphyu. Mitte des Jahres soll das Gas und spätestens Ende 2013 das Öl nach China fließen.

Die DW-Infografik zeigt den Verlauf der Pipelines

Bisher wurde das Öl, das China in großen Mengen aus dem Nahen Osten und Afrika importiert, mit Tankern durch die Straße von Malakka rund um das südostasiatische Festland geschifft. Die neue Pipeline kann ein Teil dieser Importe nun ohne Umweg direkt nach China bringen. "Das Projekt ist von sehr großer Bedeutung", erklärt Li Xiangyang, Direktor vom Institut für Asien-Pazifik Studien aus Peking. "Diese Pipelines können die Abhängigkeit Chinas von der Straße von Malakka als Transportweg verringern. Das sichert Chinas Energieversorgung."

Widerstand in Myanmar wächst

Den Bau der Pipelines hatte China mit der Militärregierung Myanmars 2009 beschlossen. Nach der politischen Liberalisierung regt sich neuerdings mehr Widerstand. "Einige Bauern haben einen Brief an die birmanische Regierung, die chinesischen Betreiber und andere Shareholder geschrieben. Sie fordern einen Stopp, bis alle offenen Fragen geklärt sind", berichtet Khur Hsint von der Nichtregierungsorganisation Sapawa, die sich im Shan-Staat für den Umweltschutz engagiert. Beide Pipelines führen durch den größten Staat von Myanmar.

Um die Gemüter zu beruhigen, hat der chinesische Investor CNPC in den vergangenen vier Jahren fast 20 Millionen Euro in Entwicklungsprojekte zur Stromversorgung und Bildung entlang der Route der Pipelines gesteckt. Viele Angehörige der ethnischen Minderheiten sind trotzdem erzürnt, da sie als Betroffene weder gefragt wurden noch von dem Projekt profitieren: "Die Menschen haben keinerlei Nutzen von dem Projekt", betont Khur Hsint.

Im Gegenteil. "Einige Bauern bekommen gar keine und einige nur eine unangemessene Entschädigung." Aber auch diejenigen, die ihre Felder behalten konnten, fürchten um ihre Lebensgrundlage, denn die Pipeline weist erhebliche Baumängel auf. Überall gebe es undichte Stellen, hieß es. Khur Hsint erläutert das an einem Beispiel: "Wir sehen das an der Yadana-Pipeline im südlichen Mon-Staat, wo es bisher 48 Explosionen gegeben hat. Austretendes Gas bedroht die Existenz der Bauern, vernichtet deren Ernten und vergiftet ihre Felder."

Keine Kontrolle durch Zentralregierung

Nicht zuletzt führt das Pipelineprojekt zu immer mehr Spannungen. Das bedroht auch die chinesischen Interessen, wie Li Xiangyang weiß: "Der Bau der Pipelines ist wichtig. Noch wichtiger ist es, eine reibungslos funktionierende Pipeline sicher zu stellen. Da gibt es noch viele Unsicherheiten."

Ein Soldat bewacht die Überreste eines Rohingya-Hauses (Photo Soe Than WIN/AFP/Getty Images)
Ein Soldat bewacht die Überreste eines Rohingya-HausesBild: AFP/Getty Images

In den vergangenen Monaten kam es im Rakhine-Staat zu massiven Auseinandersetzungen zwischen der buddhistischen Mehrheit und der muslimischen Minderheit der Rohingya. Bis zu 140.000 Menschen wurden vertrieben. Die chinesisch-myanmarischen Pipelines führen mitten durch die instabile Region.

Noch schwieriger gestaltet sich die Lage im nördlichen Shan-Staat. Dort operieren wenigstens vier bewaffnete Unabhängigkeitsbewegungen, die Teile der Region rund um die Pipelines kontrollieren. Erst am 15. Mai 2013 hatte die Untergrundarmee im Shan-Staat ein Werksgelände des einheimischen Energieproduzenten Myanma Oil and Gas Enterprise in der Nähe der chinesischen Grenze angegriffen. Sie töteten zwei Menschen und verwundeten drei.

Waffenstillstand wird regelmäßig gebrochen

"Trotz der Waffenstillstandsabkommen sehen wir nach wie vor Kämpfe", berichtet der Aktivist Khur Hsint. "Die Pipeline führt zu zusätzlichen Spannungen." Ein Grund dafür sei, dass den bewaffneten Gruppen bei Unterzeichnung der Waffenstillstandsabkommen von der Zentralregierung zugesichert wurde, dass sie ihre Gebiete nicht verlassen müssen. Jetzt aber drängt die Regierung darauf, dass die bewaffneten Gruppen die Camps in der Nähe der Pipelines räumen. Das ließen die sich natürlich nicht gefallen. "Es gibt große Befürchtungen, dass die Konflikte zwischen der birmanischen Armee und den bewaffneten Oppositionsgruppen wieder ausbrechen."

Die Leidtragenden sind die Menschen. In der Folge könnte der fragile Frieden zerbrechen und der Umweltaktivist Khur Hsint rechnet mit Flüchtlingsströmen in die Städte, nach China und Thailand. Die einzige Lösung aus seiner Sicht: "Das Projekt sollte unterbrochen werden, bis eine nachhaltige politische Lösung und ein echtes Übereinkommen mit allen beteiligten Parteien gefunden wird. Wir brauchen Verhandlungen, bei denen die Profite des Projekts gerechter verteilt werden."