Zwei Sprachen, ein Studium
13. August 2013Für einen Professor mit einer ordentlichen Portion Humor hat er genau den richtigen Namen: Claude Witz. "Mein französischer Humor kommt in Deutschland allerdings nicht immer gut an", bedauert der Juraprofessor. "Umgekehrt bin ich als Franzose bisweilen über die deutsche Ernsthaftigkeit und Gründlichkeit in weniger wichtigen Dingen erstaunt."
Der Professor für französisches Privatrecht kennt sich bestens in beiden Kulturen aus; schließlich arbeitet er seit 30 Jahren an der Universität des Saarlandes. "Hier ist es einfach wunderbar, denn in Saarbrücken lehren französische und deutsche Professoren gemeinsam an einer kleinen französischen Fakultät. Das ist ein Unikum in Deutschland", sagt er. Zwar gibt es mittlerweile ähnliche binationale Studienprogramme in Köln, Berlin, München und Paris, doch nur die Universität des Saarlandes hat schon seit ihrer Gründung im Jahr 1948 zwei französische Lehrstühle für Rechtswissenschaften.
Gute Karrierechancen
Wer hier seinen Doppelabschluss in deutschem und französischem Recht schafft, kann sich seinen Job später aussuchen. Große Kanzleien, internationale Organisationen und Behörden der Europäischen Union rufen regelmäßig bei Claude Witz an, um sich nach fähigen Absolventen zu erkundigen. "Ich habe den Eindruck, wir sind die Besten", meint der Professor ganz unbescheiden, "denn bei uns wachsen die Studenten wie Kinder in zwei Sprachen auf".
150 Studierende betreut der Professor derzeit im "Centre juridique franco-allemand", in der französisch-deutschen Rechtsfakultät, an der Saar-Uni, 40 von ihnen machen das binationale Studium. Dabei gehen sie nicht nur für ein paar Semester nach Frankreich, sondern studieren parallel in Saarbrücken und Saarguemines, einer Außenstelle der Uni Metz. Ein anstrengendes Studentenleben, denn mit dem ständigen Pendeln zwischen den beiden Städten kommt man schnell auf eine Arbeitswoche von 60 Stunden und mehr. "Das ist ganz schön hart", sagt der zukünftige Jurist Paul Sammel. "Es bleibt uns sehr wenig Freizeit."
Mal kurz über die Grenze - kein Problem
Grenzüberschreitend studieren - an der Universität des Saarlandes ist das gleich in 22 Studiengängen möglich. Die Hochschule trägt ihren Namen "Universität der Großregion" zu recht, denn die 18.000 Studierenden können Vorlesungen und Seminare an nahegelegenen Universitäten in Luxemburg, Belgien und Frankreich besuchen. "Unsere Studierenden fahren gerne mal kurz über die Grenze, um dort zu lernen, einzukaufen oder Freunde zu besuchen", sagt Uwe Hartmann, Vizepräsident für Europa und Internationales.
Vor allem aber können sie Freundschaften, die im Rahmen eines binationalen Studiums entstanden sind, weiterhin pflegen. Doreen Kempf etwa trifft sich am Wochenende häufiger mit Freunden aus Nancy. Dort hat sie während ihres Bachelorstudiums der Materialwissenschaft und Werkstofftechnik drei Semester verbracht. "Mir hat vor allem gefallen, dass es in Frankreich mehr Frauen in naturwissenschaftlichen Fächern gibt", erzählt die 21-jährige Studentin. Auch die gute französische Küche in der Mensa vermisst sie bisweilen.
Mitschreiben oder diskutieren
An die vollgepackten Stundenpläne in Frankreich dagegen musste sich Doreen Kempf wie viele ihrer deutschen Kommilitonen erst gewöhnen. "Das Studium ist dort sehr viel verschulter", erzählt sie. Jurastudent Paul Sammel kann das nur bestätigen: "In den Vorlesungen und Kursen werden keine Rechtsfälle diskutiert, sondern der Professor doziert, und die Studenten schreiben mit", sagt er.
Biologiestudentin Mylene Lanter kennt das nicht anders, weil sie in Elsass-Lothringen groß geworden ist. Aber das deutsche Lehrsystem gefällt ihr besser. "Professoren und Studenten sind sich einfach näher, denn sie diskutieren mehr miteinander", beobachtet die 21-jährige Bachelor-Studentin. Zwei Jahre hat sie in Straßburg studiert. Für das letzte Studienjahr ist sie nach Saarbrücken gekommen, um dort ihren Abschluss zu machen.
Wo Mylene Lanter danach arbeiten möchte, weiß sie noch nicht. Doch die Studentin ist offen für Frankreich und Deutschland; zu Hause fühlt sie sich in beiden Ländern. Da geht es ihr nicht anders als vielen Studenten und Wissenschaftlern der Saar-Uni. "Vier Tage in der Woche lebe ich in Saarbrücken, drei Tage in Frankreich", erzählt Juraprofessor Claude Witz. "Eine Grenze gibt es für mich nicht."