Pinguine als Besucherattraktion?
25. April 2017Eine Gruppe von kleinen trötenden und flatternden Pinguinen sammelt sich um eine Aloe Vera-Pflanze, das Ganze wirkt wie das Wildnis-Pendant zu einem Plausch in der Büroküche. Andere springen in ein angrenzendes Wasserbecken, während ihre territorialen Nachbarn, zwei Enten, ihr Revier verteidigen.
Ähnliche Szenen sieht man wahrscheinlich häufig an den Küsten Perus und Chiles, wo die Humboldt-Pinguine eigentlich zu Hause sind. Aber es ist das Letzte, was Besucher einer Therme in einer Kleinstadt im ländlichen Brandenburg, etwa 80 Kilometer von Berlin, erwarten würden.
Mit seinem verzweigten Netz aus Kanälen ist Lübbenau bekannt als die Stadt der Kähne und Gurken. Seit 2008 gibt es eine weitere Attraktion: Pinguine. Im Bad "Spreewelten" leben seitdem 18 Humboldt-Pinguine in einem kleinen Gehege mit Nestern, Felsen und einem Wasserbecken. Besucher können sogar direkt neben den Pinguinen schwimmen -- allerdings getrennt durch eine große Glasscheibe.
"Natürlich finden die Leute die Pinguine toll", sagt Laura Schäfer, eine der Tierbetreuerinnen der Therme gegenüber DW. "Wenn die Pinguine durch das Becken schwimmen und die Besucher ans Glas herankommen, dann interagieren die Pinguine mit ihnen und spielen mit den Gästen."
Als DW die Therme besucht, ist gerade Brutzeit und die werdenden Mütter kuscheln sich in kleine Hüttchen, wo sie ihre Eier warm halten. Es werden fünfzehn Junge erwartet und die Väter sorgen dafür, dass weder Menschen noch ihre eigenen Artgenossen ihnen zu nah kommen. Schäfer sagt, Pinguine seien von Natur aus nervöse Tiere, aber die im Spreewelten Bad sind gesund - ein gutes Zeichen dafür, dass sie nicht gestresst sind.
Trotzdem findet nicht jeder, dass Pinguine als Attraktionen in Erholungs- und Vergnügungseinrichtungen eingesetzt werden sollten. 2015 verhinderten Demonstranten und Aktivisten, dass ein Wasserparkbetreiber im Westen Deutschlands eine ähnliche Pinguinattraktion schaffen konnte.
"Vom Halten dieser sensiblen Tiere erhoffen sie sich mehr Besucher, aber jeder sollte Einrichtungen dieser Art boykottieren", sagt Peter Höffken von der Tierschutzorganisation "PETA Deutschland", die strickt dagegen ist, Pinguine in solchen Anlagen zu halten.
Süß zu sein ist nicht ohne Gefahren
Pinguine sind von Natur aus putzig anzusehen, und Menschen lieben es ihnen zuzuschauen. Das könnte ein Grund dafür sein, dass die Vögel als Zooattraktionen sehr beliebt sind und auch dafür eingesetzt werden, um Kunden in andere Einrichtungen zu locken.
"Pinguine sind unglaublich charismatisch", sagt Stephanie Allard, Direktorin für artgerechte Tierhaltung bei der "Detroit Zoological Society". "Ich denke, das liegt zum Teil an ihrem Aussehen. Sie wirken so kultiviert. Der ganze Smoking-Vergleich."
Aber dadurch landen die Tiere auch manchmal in heiklen Situationen. Ein Restaurant eines indonesischen Einkaufszentrums kam kürzlich in die Kritik, weil es Pinguine in einem Innengehege hielt. Und Anfang dieses Jahres kritisierten Tierschutzgruppen das US-Eishockeyteam "Pittsburgh Penguins" dafür, dass sie Pinguine als Teil des Unterhaltungsprogramms vor dem Spiel einsetzen.
"Wenn Tiere gezwungen werden, unter Bedingungen wie diesen aufzutreten, hat ihr Wohlergehen meist keine Priorität, und die Tiere, die in diese Situationen gebracht werden, haben keine Wahl", sagt Allard.
Sensible Tiere
Selbst in Zoos gedeihen Pinguine nicht immer. Im "Sealife Centre" im englischen Scarborough griffen Mitarbeiter auf Antidepressiva zurück, als die Humboldt-Pinguine, die sie betreuten, den andauernden Regen und Wind des englischen Winters restlos satt hatten. Und im Dresdner Zoo sind seit 2011 Dutzende von Humboldt-Pinguinen an einer mysteriösen Infektion gestorben.
Höffken von "PETA" sagt, die Tiere sollten überhaupt nicht in Zoos gehalten werden, unter anderem, weil sie extrem empfindlich auf Veränderungen des Klimas und ihrer Routine reagieren. Stress kann ihr Immunsystem schwächen, wodurch sie anfälliger für Krankheiten werden. Werden sie unter schlechten Bedingungen gehalten, wird die Situation noch schlimmer, sagt er.
"Für gewöhnlich werden Pinguine in sehr kleinen Gehegen mit kleinen Wasserbecken gehalten, in denen sie ihr natürliches Verhalten nicht wirklich ausleben können, so wie sie es in der Wildnis täten", sagte Höffken gegenüber DW. In der Natur jagen Humboldt-Pinguine zum Beispiel in Gruppen. Die wendigen Schwimmer mit ihren torpedoförmigen Körpern können unter Wasser bis zu 20 km/h schnell werden. Im Schnitt tauchen sie fast 20 Meter tief.
Auch Allard findet es wichtig, dass Pinguine, die von Menschen gehalten werden, ihr natürliches Verhalten ausleben können. Aber sie sagt auch, das sei nicht unmöglich in einem Zoo, der sich darum bemüht, die Tiere zu verstehen und ihren Bedürfnissen Rechnung zu tragen. Der Detroit Zoo hat im "Polk Penguin Conservation Center" ein neues Gehege für seine Pinguine gebaut und die knapp 2 Meter tiefen Wasserbecken durch fast 8 Meter tiefe Becken ersetzt. Als dies geschah, begannen die Tiere, mehr Zeit im Wasser zu verbringen.
"Sie brauchen das Wasser nicht, um an ihre Nahrung zu gelangen. Wir stellen sicher, dass sie so viel Nahrung haben, wie sie überhaupt nur brauchen könnten. Sie müssen nicht weit schwimmen, um zum Beispiel an Fische zu kommen", sagt Allard. "Dadurch, dass sie zusätzlich Zeit im Wasser verbringen, zeigen sie uns, dass ihnen das wichtig ist."
Fütterungszeit
Zurück in der Therme in Brandenburg sagt Schäfer, dass sie planen, das Gehege der Pinguine zu erweitern. In einem kleinen Raum neben dem Gehege bereitet sie die Mahlzeit für die Pinguine vor, während Flocke - ihr Pinguin-Star - auf den Füßen ihres Kollegen liegt und die Fussbodenheizung genießt.
"Er ist sehr verschmust", sagt Schäfer und lacht. Sie ist sichtlich vernarrt in die Pinguine und erklärt, dass sie Flocke selbst großgezogen haben. "Er kommt früh an und möchte gestreichelt und gekuschelt werden und läuft uns immer hinterher. Wir gehen regelmäßig mit ihm spazieren, auch in der Sauna und das ist eine Attraktion für die Besucher."
Draußen erklärt Schäfer den Zuschauern, die hinter der Glaswand im geheizten Schwimmbecken sitzen, ein paar Fakten über Humboldt-Pinguine. Ein kleiner Junge und ein Mädchen helfen bei der Fütterung der Pinguine. Die verschlingen Heringe, Lodden und Sprotten oder springen Fischen hinterher, die in ihr Wasserbecken geworfen werden.
Die Pinguine sind offensichtlich ein Besuchermagnet: "Spreewelten Bad" sagt, die Besucherzahlen seien gestiegen, nachdem die Frackträger kamen. "Ich finde es süß. Es ist eine schöne Idee", sagt die 17-jährige Nicole Tarnov, die die Therme schon mehrmals besucht hat. "Es ist anders, sonst sieht man sie immer nur im Zoo."
Aber Höffkens hat einen Tipp für Leute, die die Tiere sehen wollen: "Sehen Sie sich einen der großartigen Dokumentarfilme an, die es über Pinguine gibt."