Pferdefleisch-Skandal, die zweite
11. April 2013Das Fleisch sei in 16 EU-Staaten gelangt, teilte das Bundeslandwirtschaftsministerium in Berlin unter Berufung auf niederländische Behörden mit. Überwiegend seien die Lieferungen nach Deutschland, Frankreich, Portugal und Spanien gegangen. Betroffen seien derzeit 502 Betriebe, darunter 124 in Deutschland. Seit 2011 wurden die Fleischhändler, Metzgereien und weiterverarbeitenden Lebensmittelfirmen nach Angaben des Landwirtschaftsministerium mit Rindfleisch aus den Niederlanden beliefert, dem möglicherweise Pferdefleisch beigemischt worden war.
Es sei nun Aufgabe der Lebensmittelbehörden der Bundesländer, nach dem Verbleib des Pferdefleisches zu fahnden und die entsprechenden Produkte aus dem Handel nehmen, teilte das Ministerium Berlin mit.
Die niederländische Lebensmittelkontrollbehörde hatte am Mittwoch rund 50.000 Tonnen vermeintliches Rindfleisch zurückgerufen. Es stammt vom niederländischen Hersteller Willy Selten.Die Behörden hatten aus Gründen des vorsorgenden Verbraucherschutzes die komplette Produktion für den Handel gesperrt und veranlasst, die Waren vom Markt zu nehmen.
Nordrhein-Westfalen am stärksten betroffen
Das am stärksten betroffene Bundesland ist laut den weiteren Angaben Nordrhein-Westfalen mit 38 Händlern, weiterverarbeitenden Betrieben und Metzgereien. In Baden-Württemberg sind 15 Betriebe von dem verdächtigen Unternehmen beliefert worden, in Bayern 14, in Niedersachsen 13 und in Sachsen zwölf. Nicht betroffen sind Bremen und das Saarland, in den übrigen Ländern bewege sich die Zahl betroffener Betriebe im einstelligen Bereich.
Was mit den Fleischbergen letztlich geschah, ist unsicher. Auch ist nach niederländischen Behördenangaben nicht sicher, ob die gesamten 50.000 Tonnen mit Pferdefleisch vermischt oder anderweitig falsch deklariert wurden. Der größte Teil des Fleisches sei vermutlich längst gegessen worden. Doch gerade in Tiefkühlprodukten könne noch immer Schummelfleisch stecken. Die EU-Kommission rief dazu auf, die verdächtigen Produkte zu finden und vom Markt zu nehmen. Konkrete Hinweise auf gesundheitliche Gefahren für Verbraucher gebe es bislang aber nicht. Das betonte auch Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner.
Hersteller plant gerichtliche Schritte gegen Kontrollbehörde
Politik, Verbraucherverbände und die Lebensmittelbranche verlangten eine schnelle Aufklärung. Der deutsche Einzelhandel setzte sich zudem für stärkere Lebensmittel-Kontrollen ein. "Die staatlichen Kontrollen müssen besser vernetzt werden", sagte der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Deutschland (HDE), Stefan Genth. Die Zuständigkeit liege hierzulande bei den einzelnen Bundesländern und sei dort in den Kreisverwaltungen angesiedelt.
Kriminelle Machenschaften machten aber an den Landesgrenzen nicht halt. Außerdem sollte die Zahl der staatlichen Lebensmittel-Kontrolleure erhöht werden, so Genth weiter. Die Verbraucherorganisation Foodwatch forderte ein strengeres Durchgreifen der Europäischen Union. Der Fall zeige "in erschreckender Deutlichkeit, dass bestehende Gesetze nicht durchgesetzt werden", erklärte der stellvertretende Geschäftsführer Matthias Wolfschmidt.
Der verdächtige Unternehmer Selten will dagegen gerichtliche Schritte gegen die Kontrollbehörde unternehmen. Die Maßnahme sei unbegreiflich, sagte sein Anwalt Frank Peters dem niederländischen Radio. "Das Fleisch kann man normal essen, und es wurde unter Aufsicht der Behörde verkauft.
sti/SC (afp, dpa, rtr)