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Pelé: Ein ganzes Leben für den Fußball

Sarah Wiertz
29. Dezember 2022

Er gilt bis heute als der größte und beste Fußballer: Edson Arantes do Nascimento, bekannt als Pelé. Schon in seiner aktiven Zeit war er eine Legende, Mythos und lebendes Denkmal. Jetzt ist Pelé 82-jährig gestorben.

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Portraitbild Pele schwarz-weiß
Fußballegende Pele ist gestorbenBild: Martin Hoffmann/IMAGO

"Du warst ein Genie, das die Welt verzaubert hat. Ein Magier mit dem Ball am Fuß. Eine wahre Legende." Diese Worte schrieb Pelé in einem öffentlichen Abschiedsbrief an Maradona, nachdem dieser Ende November 2020 verstarb. Ähnlich würde sich jetzt wohl Maradona über seinen einstigen Freund und Rivalen Pelé äußern, der nun in einem Krankenhaus in São Paulo einem Organversagen in Folge seiner Krebserkrankung erlag.

Beide Fußballer prägten mit ihrem Spielstil - der Argentinier Maradona als Spielmacher, der Brasilianer Pelé als Stürmer - den Fußball des vergangenen Jahrhunderts, waren in ihren Ländern Volkshelden und verzückten weltweit die Fußballfans mit ihrer Technik und ihren Toren. Pelé, 20 Jahre älter als Maradona, war jedoch der erste Superstar des Fußballs. Der Brasilianer ist bisher der einzige Fußballer, der dreimal Weltmeister wurde: Er wurde nicht nur zum Weltfußballer, sondern auch zum Sportler des 20. Jahrhunderts gewählt. Die brasilianische Regierung hat nach dem Tod des Ausnahmesportlers eine dreitägige Staatstrauer angeordnet 

"Pelé ist unsterblich und Edson hat keine Angst vor dem Älterwerden und auch nicht vor dem Sterben", hatte Pelé einmal in einem Interview gesagt, wohlwissend um die Unterscheidung der Fußball-Ikone Pelé und dem Menschen Edson Arantes do Nascimento.

Diesen Namen bekam er am 23. Oktober 1940 in Anlehnung an den US-amerikanischen Erfinder Thomas Alva Edison. Woher sein Spitzname kommt, ist dagegen nicht klar. Die gängigste Version lautet, dass er sich als kleiner Junge für den Torwart der Mannschaft seines Vaters namens "Bilé" begeisterte und erklärte, dass er auch spielen wolle wie "Pilé". Daraus entwickelte sich der Name "Pelé", der ihn zunächst ärgerte.

Pelé: internationaler Durchbruch schon mit 16 Jahren

Es sollte aber nicht lange dauern, bis zunächst Brasilien und dann die Welt auf den Jungen aufmerksam werden sollten. Mit nur 15 Jahren erhielt Pelé 1956 einen Vertrag beim FC Santos und schoss bei seinem Erstliga-Debüt sein erstes Tor. Die Einberufung in die Nationalelf ließ nicht lange auf sich warten: Mit 16 Jahren und 257 Tagen feierte er beim 1:2 gegen Argentinien seinen Einstand und erzielte den einzigen Treffer für die Seleção.

Pele beim Freundschaftspiel Fortuna Düsseldorf FC Santos (1959)
Pele beim Freundschaftspiel Fortuna Düsseldorf FC Santos (1959)Bild: Horstmüller/IMAGO

Zur WM ein Jahr später in Schweden durfte der Offensivspieler ebenfalls mit, saß dort aber zunächst nur auf der Bank. Dann jedoch erzielte der nur 171 Zentimeter große Pelé in vier Partien sechs Tore und war damit wesentlich am Titelgewinn beteiligt - dem ersten für das fußballverrückte Brasilien. Besonders im Endspiel gegen den Gastgeber riss Pelé die Zuschauer mit seinen varietéreifen Kunststücken von den Sitzen - es war sein internationaler Durchbruch.

In seiner Heimat wurde Pelé schon damals verehrt wie wohl kein zweiter Fußballer. Brasiliens Regierung erklärte ihn mit noch nicht einmal 20 Jahren zum "Nationalheiligtum" und verbot seinen Verkauf ins Ausland. Auf Auslandsreisen wurde der junge Pelé empfangen wie ein Staatspräsident. Bei der Weltmeisterschaft 1962 in Chile kam für ihn aber ein Rückschlag: Zwar verteidigte Brasilien seinen Titel erfolgreich, allerdings konnte Pelé kaum mitwirken - er hatte sich bereits im zweiten Vorrundenspiel verletzt. Vier Jahre später in England schied der Titelverteidiger überraschend bereits in der Vorrunde aus. Dafür führte Pelé sein Team 1970 in Mexiko als großer Denker und Lenker zum dritten Titelgewinn.

Pelé im Stadion mit dem WM-Pokal nach dem Finalsieg Brasiliens gegen Italien bei der Fußball-WM 1970 in Mexiko
Pelé nach dem Finalsieg Brasiliens gegen Italien bei der Fußball-WM 1970 in MexikoBild: AP

Ein Jahr später machte Pelé sein 92. und letztes Länderspiel: Vor 180.000 Fans verabschiedete er sich im Maracana-Stadion von der Nationalelf, für die er 77 Tore erzielt hatte. Vielen erschien sein Abschied aus der Nationalelf als zu früh: Pelé war damals gerade 30 Jahre alt.

Warum trat Pelé zurück?

Über den Grund seines Rücktritts wird noch heute spekuliert: War es eine heftige Auseinandersetzung mit dem damaligen Präsidenten des brasilianischen Fußballverbandes, Joao Havelange? Pelé selbst nannte später ein politisches Argument: Er hätte die damalige Militärregierung nicht unterstützen wollen. Ob er tatsächlich ein Diktatur-Gegner war oder gar ziemlich gute Kontakte zu den Ministern hatte, bleibt ein weiteres Rätsel in Pelés Lebenslauf.

In der brasilianischen Liga setzte Pelé seine Karriere dagegen fort. Wie viele Spiele er absolvierte und wie viele Tore er für den FC Santos tatsächlich erzielte, dem Verein, der wohl immer mit Pelé verbunden sein wird, ist nicht mehr genau zu rekonstruieren. Offiziell sind es 1088 Treffer in 1114 Partien. Was ebenfalls nicht eindeutig ist: sein 1.000 Tor. Vermeintlich erzielte er es mit einem verwandelten Elfmeter in der Partie gegen Vasco da Gama - ganz Brasilien feierte an diesem 19. November 1969, sogar die Kirchenglocken läuteten. Spätere Recherchen ergaben allerdings, dass dieses Tor wohl schon Nummer 1002 war.

Geldprobleme nach dem Rücktritt

1974 beendete er seine Laufbahn - zunächst. Denn nicht mal ein Jahr später unterschrieb er überraschend einen Vertrag bei Cosmos New York in der damaligen kaum bekannten North American Soccer League. Der Grund: Ein Freund hatte Pelés gesamtes Vermögen veruntreut.

Pele und Franz Beckenbauer bei einem Spiel für die New York Cosmos
Pele und Franz Beckenbauer bei den New York CosmosBild: Colorsport/IMAGO

4,5 Millionen Dollar verdiente Pele in drei Jahren, was die bis dahin höchste Vertragssumme im Fußball war: "Pelé ist der beste Spieler aller Zeiten", sagte später sein damaliger deutscher Teamkollege Franz Beckenbauer. "Er beherrschte den Fußball über 20 Jahre. All die anderen, wie Maradona, Cruyff oder Platini kommen nach ihm. Es gibt keinen, der mit Pelé vergleichbar war." 1977 nahm er dann endgültig Abschied vom Fußball.

Pelé wird der erster schwarze Minister in Brasilien 

Schon während seiner Jahre in New York stellte Pelé die Weichen für eine erfolgreiche Karriere als Geschäftsmann. Er knüpfte wichtige Kontakte und gründete eine Sportmarketing-Firma. Zudem kaufte der Sportler, der als religiös und bescheiden galt, eine Radio-Station (Radio Club de Santos) und eine Film-Produktionsgesellschaft.

Er liebäugelte immer wieder mit einem politischen Amt und kündigte sogar einmal an, eine linksorientierte Partie gründen zu wollen. Ernst wurde es jedoch erst 1994, als er als erster Schwarzer überhaupt ein Ministeramt übernehmen durfte. Pelé wurde zum außerordentlichen Sportminister ernannt. Er versuchte, die Korruption im brasilianischen Fußball zu bekämpfen. Deutlich erfolgreicher war er darin, den Breitensport sowie Kinder- und Jugendprojekte zu fördern. Nach vier Jahren schied er aus seinem Amt wieder aus.

Pelé im Jahr 2017
Pelé im Jahr 2017Bild: Alexander Zemlianichenko/AP/picture alliance

Pelé, der zweimal verheiratet war und sieben Kinder hat, war zudem Botschafter des Sports für sein Land, für die UN und für UNICEF. "Jedes Kind der Welt will beim Fußball sein wie Pelé - daher trage ich die Verantwortung, ihnen zu zeigen, wie man ein guter Fußballer wird, aber auch, wie man ein guter Mann wird", sagte er einst.

In seinen letzten Jahren hatte Pelé immer wieder gesundheitliche Probleme. Eine schlecht verheilte Hüftoperation im Jahr 2012 führte zu weiteren Beeinträchtigungen, zudem musste bei ihm ein Nierenstein entfernt werden. 2021 wurde ein Tumor im Dickdarm entfernt. Seitdem unterzog er sich einer Chemotherapie. Einige Tage vor seinem Tod wurde er ins Krankenhaus eingeliefert, wo er auch palliativmedizinisch betreut worden sein soll. Öffentlich trat Pelé zuletzt kaum noch auf.

"Man muss sich vorstellen: Er war der König und immer eine so beeindruckende Person, und jetzt kann er nicht mehr normal gehen", ließ Pelés Sohn Edson im Februar 2020 die Öffentlichkeit wissen. "Daher hat er sich sehr zurückgezogen, es beschämt ihn." Zudem gab er bekannt, dass sein Vater an Depressionen leide. Dies bestritt Pelé kurz darauf jedoch vehement.

"Eines Tages spielen wir hoffentlich gemeinsam Fußball im Himmel", hatte Pelé an Maradonas Todestag via Twitter verkündet. Nun spielen die Dribbelkünstler gemeinsam in anderen Sphären - dabei war es doch eigentlich schon immer so.

DW Kommentarbild Sarah Wiertz
Sarah Wiertz Teamleiterin Sport Online