Peking kritisiert FDP-Delegation in Taiwan
9. Januar 2023Vor dem Hintergrund neuer Militärmanöver Chinas nahe Taiwan hat der FDP-Vizevorsitzende Johannes Vogel die Führung in Peking vor dem Einsatz von Gewalt gegen die demokratisch regierte Insel gewarnt. Zum Auftakt eines viertägigen Besuches einer FDP-Delegation in Taipeh sagte Vogel bei einem Treffen mit Ministerpräsident Su Tseng-chang: "Jeder Versuch, den Status quo durch Gewalt oder durch die Androhung von Gewalt zu verändern, ist aus internationaler Sicht und aus unserer Sicht inakzeptabel." Der Besuch der FDP-Parlamentarier sei eine "Geste der Solidarität".
China startete am Sonntag erneut Militärmanöver
Die Visite wird überschattet von neuen chinesischen Militärmanövern in der Meerenge der Taiwanstraße, die am Sonntag begannen. Chinas Ostkommando sprach von "Kampfbereitschafts- und Militärpatrouillen sowie realen Kampfübungen". Ziel sei es, die Fähigkeiten der Truppen zu testen und "provokativen Aktionen externer Kräfte und separatistischer Kräfte für eine 'Unabhängigkeit Taiwans' entschlossen entgegenzuwirken", hieß es in einer Mitteilung.
Allein in den 24 Stunden bis Montagmorgen waren 57 chinesische Militärflugzeuge und vier Kriegsschiffe nahe Taiwan im Einsatz, wie das Verteidigungsministerium in Taipeh berichtete. 28 Flugzeuge hätten dabei die - früher von China respektierte, nicht offizielle - Mittellinie der Taiwanstraße überquert und seien in Taiwans Luftraumüberwachungszone (ADIZ) eingedrungen. Auch am Montag hätten diese "provokativen Aktionen" angedauert.
Nach dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine wachsen die Sorgen, dass China ähnlich in Taiwan einmarschieren könnte. Die Führung in Peking betrachtet Taiwan als Teil der Volksrepublik und droht mit einer Eroberung. Die Spannungen hatten sich jüngst verschärft. Nach dem Besuch der damaligen Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, im August hatte Peking großangelegte Militärmanöver gestartet. Mit Übungen und verstärkten Einsätzen von Kriegsschiffen und Flugzeugen nahe Taiwan hält China den Druck seither aufrecht.
Peking reagiert verschnupft
Die Visite der FDP-Politiker sorgte für Verstimmung in Peking. "Wir drängen die betreffenden Parlamentarier damit aufzuhören, falsche Signale an die taiwanischen Behörden zu senden", sagte Chinas Außenamtssprecher Wang Wenbin vor der Presse. Taiwan sei ein Teil Chinas und die Regierung in Peking die einzig legitime Vertretung, die ganz China repräsentiere. Der "Ein-China-Grundsatz" sei die politische Grundlage für die Beziehungen zu Deutschland.
Der chinesische Botschafter in Deutschland, Wu Ken, warnte deutsche Politiker vor einem Kurswechsel im Umgang mit Taiwan. "Ich möchte aber einzelnen Politikern auch raten, in der Taiwan-Frage nicht mit dem Feuer zu spielen und chinesische rote Linien nicht zu testen", sagte Wu in einem Interview des "Handelsblatts" auf die Frage nach einem möglichen Besuch Taiwans durch ein Mitglied der Bundesregierung.
Unter Hinweis auf den Ukraine-Krieg wies Taiwans Premier im Gespräch mit der FDP-Delegation auf das Säbelrasseln Chinas hin und sagte, dass auch Taiwan "an der Frontlinie zu Autoritarismus und militärischer Bedrohung" stehe. "Wir werden niemals klein beigeben."
Bei dem Treffen sagte die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, der russische Krieg gegen die Ukraine sei ein "Weckruf" für die Menschen gewesen, die in Demokratien lebten. Ein Leben in Frieden und Freiheit müsse jeden Tag erkämpft werden. Mit der "Zeitenwende" schaue sich Deutschland nach "den richtigen Partnern" um. Der Besuch sei der Delegation wichtig, um ihre Verbundenheit zur Demokratie in Taiwan zu zeigen.
Präsidentin Tsai Ing-wen empfängt die FDP-Delegation
Höhepunkt der Visite der zehn Abgeordneten ist am Dienstag ein Empfang durch Präsidentin Tsai Ing-wen. Gespräche sind auch mit Wissenschaftlern, Wirtschaftsexperten, Menschenrechtlern und Militärs geplant. Die Gruppe der FDP-Fraktion ist bereits die dritte deutsche Delegation des Bundestages in den vergangenen vier Monaten, die Taiwan besucht. Im Oktober waren der Freundeskreis für die Beziehungen zu Taiwan und der Menschenrechtsausschuss in Taipeh.
nob/se (dpa, afp)