Peking 2022: Die Shorttrack-Speedskaterin mit dem Alter Ego
8. Februar 2022Die amerikanische Shorttrack-Eisläuferin Maame Biney hatte im Viertelfinale der 500 Meter der Frauen ein Rennen zum Vergessen. Aber das merkt man ihr nicht an beim Umgang mit den Journalisten in der Capital Indoor Arena in Peking im Anschluss.
Die 22-jährige Shorttrack-Spezialistin, die vor vier Jahren in Pyeongchang die erste schwarze Frau im US-Shorttrack-Speedskating-Team war, musste nach jeder Antwort an die Reporter leicht kichern.
Dabei hatte sie ihr Rennen schon kurz nach dem Start verloren: Bei einer Kollision mit der Ungarin Petra Jaszapati wurde ihre Schiene stumpf und verlor die entscheidende Traktion. "Es hat mich beim Start erwischt, das war das Aus", sagte Biney. "Ich habe alles versucht, um den dritten Platz zu sichern, aber ich konnte keine Geschwindigkeit aufbauen."
Vor sechs Monaten, so gab Biney zu, wäre sie nach einem solchen Ergebnis zusammengebrochen. "Ich habe viele Therapien hinter mir, die mir in solchen Situationen helfen. Ich denke, ich gehe viel besser damit um, als ich es früher getan hätte." Ein Teil der Therapie für Biney, die schon früher zugegeben hatte, dass sie unter Angstzuständen leide, ist die Entwicklung eines Mantras und eines Mottos vor den Rennen.
Aber sie schöpft auch Selbstvertrauen aus "Anna Digger", ihrem selbstbewussten, freimütigen Alter Ego.
Wer ist Anna Digger?
Während Biney eher entspannt und "ein bisschen mehr im Fluss" ist, ist ihr Alter Ego Anna Digger konzentriert, mutig, stark und furchtlos und ermöglicht es Biney, ihre Ängste zu überwinden.
Biney, die im Alter von sechs Jahren mit ihrem Vater Kweku von Ghana nach Washington D.C. gezogen war, erfand als Achtjährige Anna Digger als E-Mail-Adresse. Kristen Santos, Bineys Teamkollegin in der Mixed- und der Frauenstaffel, schlug vor, dass sie diese Persönlichkeit annehmen sollte, wenn sie Schlittschuh läuft.
Trotz des Missgeschicks mit dem stumpfen Schlittschuh war Biney im olympischen Rennen in der Lage, sich wieder aufzurappeln. "Ich bin wirklich froh, hier zu sein und so gut gelaufen zu sein", sagte sie der DW. "Ich habe vor zwei Tagen eine Saisonbestleistung aufgestellt [in den 500-Meter-Qualifikationsläufen mit einer Zeit von 42,929 Sekunden], also bin ich ziemlich glücklich."
Nun freut sie sich auf die 1000 Meter am Donnerstag, wo sie vielleicht nicht auf die Hilfe von Anna Digger angewiesen sein wird. "Ich erwarte nicht, dass noch mehr passieren wird, ehrlich gesagt", sagte Biney. "Also werde ich einfach mein Bestes geben und das Beste hoffen."
Anna hilft dabei, "für das einzutreten, woran ich glaube"
Anna Digger hilft Biney nicht nur auf der Eisbahn, sondern auch dabei, sich gegen Rassismus auszusprechen. "Anna sagt definitiv: 'Ich werde für das eintreten, woran ich glaube, und alles tun, woran ich glaube'", so Biney. "Sie hilft mir, selbstbewusster zu sein."
Seit dem Tod des Schwarzen George Floyd in Minneapolis im Mai 2020 hat Biney ihre Social-Media-Plattformen genutzt, um auf rassistisch motiviertes Unrecht aufmerksam zu machen. Kurz nach Floyds Tod veröffentlichte die Eisschnellläuferin einen langen Instagram-Post, in dem sie mehr Menschen dazu aufrief, ihre Stimme zu erheben.
Biney ist sich durchaus bewusst, welche Vorbildwirkung sie hat, wenn sie das Eis betritt, und warum es wichtig ist, den Kopf oben zu behalten, auch wenn ein Rennen nicht so läuft, wie sie es gerne hätte: "Ich denke, das ist eine Art Inspiration für mich selbst und für junge schwarze Mädchen auf der ganzen Welt, die das Gefühl haben, dass sie jede Situation, die sich ihnen bietet, überwinden und wie Phönix aus der Asche wieder auferstehen können."
Und ob es sich nun um einen unglücklichen Zusammenstoß zu Beginn eines Rennens oder um gesellschaftspolitische Herausforderungen im normalen Leben handelt, Maame Biney hat immer auch Anna Digger an ihrer Seite.
Dieser Text wurde aus dem Englischen adaptiert.