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Peinlicher Anachronismus

Rainer Sollich15. Juli 2003

Das Parlament im griechischen Teil der geteilten Mittelmeerinsel Zypern hat den geplanten EU-Beitritt ratifiziert. Dagegen droht der türkische Teil weiter ins Hintertreffen zu geraten. Rainer Sollich kommentiert.

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Die Abstimmung war nur noch eine Formsache: Einstimmig hat das Parlament im griechischen Teil Zyperns am Montag (14.7.2003) den geplanten Beitritt zur Europäischen Union gebilligt. Es ist ein erfreuliches Ergebnis, weil es zeigt, dass die Menschen auf der Mittelmeerinsel zu Europa gehören. Und doch bleibt ein gewisses Unbehagen, weil Zypern immer noch geteilt ist und weil die Vertreter der Zypern-Türken nicht mit abstimmen konnten - und weil das Regelwerk der EU mit seinen Vorteilen und Verpflichtungen von Mai 2004 an faktisch zunächst nur für den griechischen Teil gelten wird.

Dabei ist die inzwischen schon fast 30 Jahre andauernde Teilung der Insel ein Anachronismus, den man nur als peinlich bezeichnen kann. Peinlich für ein Europa, dass eigentlich gerade im Begriff ist, alte Grenzen einzureißen - und nun ein geteiltes Land aufnimmt. Und peinlich vor allem für die zyprischen Politiker beider Seiten, die jahrzehntelang nicht von ihren Maximalpositionen abgerückt sind und die ihre Vorschläge für eine Wiedervereinigung oder Zwei-Staaten-Lösung oft nur mit dem Ziel unterbreiten, möglichst viele Vorteile für die eigene Volksgruppe herauszuholen.

Prägende Grenze

Die Realität ist nach wie vor trist: Die Grenze zwischen dem türkischen und griechischen Teil ist inzwischen zwar durchlässiger geworden, aber sie existiert - in Form von häßlichen Grenzanlagen mitten im Land ebenso wie emotional in den Köpfen.

Deswegen sollten sich die griechischen Zyprer auch hüten, den nun endgültig auf die Bahn gebrachten EU-Beitritt als Triumph über die türkische Seite zu feiern. Dies würde nur alte Wunden neu aufreißen und auf türkischer Seite das bittere Gefühl der Unterlegenheit stärken. Vielmehr sollten die Zypern-Griechen ihren Erfolg als Chance begreifen, um gegenüber der türkischen Seite für Versöhnung und eine gemeinsame europäische Zukunft der Insel zu werben.

Türkische Konsequenzen

Die türkische Seite wiederum muss aufhören, in dem nun abgesegneten baldigen EU-Beitritt eine Bedrohung zu sehen. Selbst wenn es eine wäre - sie wäre nicht mehr abzuwenden. Der nahende EU-Beitritt des Inselsüdens schafft jedoch Fakten, aus der die türkische Seite zwingend Konsequenzen ziehen muss. Man wird sich dort sehr ernsthaft fragen müssen, ob es zu einem späteren EU-Beitritt auch der türkischen Inselhälfte überhaupt eine realistische Alternative gibt.

Die Antwort kann nur lauten: Nein. Die immer wieder angedrohte engere Anbindung Nordzyperns an das wirtschaftlich gebeutelte "Mutterland" Türkei könnte die Vorteile, von denen der griechische Süden als EU-Mitglied profitieren wird, nicht aufwiegen. Die schon jetzt enormen Entwicklungsunterschiede zwischen beiden Inselhälften würden zwangsläufig weiter anwachsen - und damit auch der Neid und die Unzufriedenheit der türkischen Zyprer mit ihrer Führung.

Frage des Preises

Eines allerdings darf nicht außer Acht gelassen werden - und das ist der Machtfaktor Ankara. Nicht nur Griechenland hat stets ultimativ auf Zyperns EU-Beitritt bestanden, um dort das eigene Gewicht zu stärken. Auch die Türkei hat mit ihrer Zypern-Politik schon immer nationale Interessen verfolgt. Dies bedeutet: Regierung und Militär in Ankara werden nur dann einer Wiedervereinigung und einem Abzug türkischer Truppen aus Nordzypern zustimmen, wenn der Preis dafür stimmt. Es bedeutet aber auch: Spätestens wenn die Türkei eine wirklich verläßliche Perspektive für ihren eigenen Beitritt sieht, dürfte automatisch auch Nordzypern seinen Weg in die EU finden.