Pause für ugandische Kindersoldaten
31. Dezember 2004Sie nennt sich "Widerstandsarmee des Herrn" ("Lord’s Resistance Army"). Doch christliche Nächstenliebe zählt nicht zu den Leitmotiven der ugandischen Rebellentruppe LRA. Seit 18 Jahren liefert sie sich im Norden Ugandas mit der Regierungsarmee einen Bürgerkrieg um die Vorherrschaft in der Grenzregion zum Sudan.
Nach UN-Angaben wurden dabei mehr als 1,6 Millionen Menschen zu Flüchtlingen. Die Kinder zählen zu den Hauptleidtragenden des Konfliktes in dem ostafrikanischen Land. Die LRA-Rebellen haben schätzungsweise 20.000 Kinder entführt und zu Kindersoldaten und Sexsklavinnen gemacht. Verlässliche Zahlen über die Opfer, die während der vergangenen 18 Jahre bei Massakern der LRA und Gegenanschlägen der Armee ums Leben gekommen sind, existieren nicht. Allein im Februar 2004 ermordeten LRA-Rebellen mehr als 200 Menschen in einem Flüchtlingslager. Das harte Vorgehen des ugandischen Militärs hat sich für eine Lösung des historisch bedingten Konfliktes als kontraproduktiv erwiesen.
LRA-Strukturen Hindernis für Frieden?
Jetzt aber stehen die Chancen auf Frieden so gut wie nie zuvor. Erstmals gab es persönliche Gespräche zwischen Rebellen und Regierung. Am letzten Tag des Jahres 2004 soll ein Waffenstillstandsabkommen unterzeichnet werden. Doch bedeutet das tatsächlich mehr als nur eine kurze Pause für die Kindersoldaten? Der Uganda-Experte und ehemalige Direktor des Hamburger Instituts für Afrika-Kunde (IAK), Rolf Hofmeier, hält einen "vorsichtigen Optimismus" für angebracht. Die zersplitterten Strukturen der LRA könnten sich aber zum größten Hindernis für einen Frieden entwickeln, gibt Hofmeier im Gespräch mit DW-WORLD zu bedenken. Durch ein von LRA-Führer Joseph Kony unterzeichnetes Waffenstillstands-Abkommen würde sich so mancher Untergruppenführer nicht gebunden fühlen.
Bittere Pille Amnestie
Ohnehin könne ein Waffenstillstandsabkommen nur der erste Schritt auf einem langen Weg des Friedensprozesses sein, betont IAK-Experte Hofmeier. "Der zweite Schritt wäre eine längerfristige Befriedung der ganzen Region." Dabei gilt es, die bittere Pille eines Amnestieangebotes an die Rebellen zu schlucken. Moralische Kritik hintanstellend, zeigt sich Hofmeier pragmatisch: "Das ist der Kompromiss, den man eingehen muss!" Wer Frieden sagt, müsse auch Amnestie sagen.
"Latente Sympathie für die LRA"
Wie es um die Friedensbereitschaft der Regierung bestellt ist, wird sich auch an ihrer zukünftigen Regionalpolitik zeigen: Denn in den sozialen Verwerfungen der ugandischen Gesellschaft liegen die wahren Ursachen des Konflikts. Zwar gibt die LRA vor, sie wolle einen Staat auf Grundlage der zehn Gebote errichten. Doch verfolgt sie mit ihren brutalen Aktionen vor allem das Ziel, der von der Zentralregierung chronisch vernachlässigten nördlichen Region Ugandas gewaltsam Gehör zu verschaffen. Als die "National Resistance Army" (NRA) des heutigen Präsidenten Yoweri Museveni 1986 die Armee des früheren Präsidenten Milton Obote schlug, verlor damit eine ganze Region mit einem Schlag Status und Auskommen. Denn ein großer Teil von Obotes Armee, aus dem sich dann die LRA rekrutierte, stammte aus dem Norden Ugandas. So erkennt Uganda-Experte Hofmeier auch "latente Sympathien für die LRA in der Bevölkerung - trotz der Kindesentführungen".
Westen in der Verantwortung
Die ugandische Regierung stößt hingegen vor allem im Ausland auf Sympathie - so sehr, dass Jan Egeland, stellvertretender Generalsekretär der Vereinten Nationen und Leiter des "Büros für die Koordination humanitärer Fragen", im Oktober 2004 die Situation im Norden Ugandas als "die am stärksten vernachlässigte humanitäre Krise der Welt" bezeichnete.
Trotz des Bürgerkrieges gilt Uganda wegen seiner demokratischen Reformen, seiner fortschrittlichen Aids- und Wirtschaftpolitik vor allem im Westen als Hoffnungsträger. "Die Gemeinschaft aller westlichen Geber" sieht IAK-Experte Hofmeier daher auch in der Verantwortung für den Fall, dass das Waffenstillstandsabkommen hält: "Ein großes entwicklungspolitisches Programm ist notwendig. Man muss der Bevölkerung des Nordens endlich das Gefühl geben, mit ihren Bedürfnissen ernst genommen zu werden!"