Patriarch Bartholomaios I.
19. Mai 2014Deutsche Welle: Welche Position nimmt der Ökumenische Patriarch im Ukraine-Konflikt ein?
Patriarch Bartholomaios I.: Es handelt sich hier um eine rein politische Frage. In der Ukraine erleben wir einen Konflikt zwischen Ost und West, um es vereinfacht zu sagen. EU und USA auf der einen Seite und die Russische Föderation auf der anderen. Es ist eine Frage des politischen Einflusses. Wir können da leider nicht viel machen. Ich wünsche, dass sich logisches Denken und Besonnenheit durchsetzen, um eine Ausweitung des Konflikts, der eine große Gefahr für die Ukraine, für Europa und für die ganze Menschheit darstellt, zu umgehen.
Wenn es um die Kirche geht, haben wir in der Ukraine das Problem der Spaltung der ukrainischen orthodoxen Kirche in drei orthodoxe Kirchen von denen nur eine kanonisch ist, die anderen nicht. Nichtsdestotrotz sind die Ukrainer unsere orthodoxen Brüder und Schwestern. Vor sechs Jahren wurde ich vom damaligen Präsidenten Viktor Juschtschenko eingeladen. Wir haben versucht, eine Wiedervereinigung der Orthodoxen zu initiieren, leider ohne Erfolg. Aber wir geben nicht auf. Es ist die Pflicht des Ökumenischen Patriarchats und der gesamten Orthodoxie, die Einheit des orthodoxen ukrainischen Volkes wiederherzustellen.
Wie schätzen Sie die Lage der Orthodoxen Kirche in der Türkei ein?
Die Rückgabe griechischen Eigentums halte ich für einen wichtigen Fortschritt. Aber auch den Umstand, dass Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan Bischöfen aus dem Ausland die türkische Staatsangehörigkeit gewährt, damit sie an einer zukünftigen patriarchalischen Wahl teilnehmen können, entweder als Kandidaten für den Thron, oder als Wähler des neuen Patriarchen - rechne ich zu den wichtigen Fortschritten. Dazu zählt auch die griechische Schule, die nach einem halben Jahrhundert auf meiner Heimatinsel Imvros wiedereröffnet wurde. All das ist lobenswert. Und wir erkennen diese Fortschritte an und bedanken uns bei Ministerpräsident Erdogan.
Aber all das reicht leider noch nicht aus. Es bleiben noch viele Eigentumsfragen offen. Das Patriarchat besitzt noch keine Rechtspersönlichkeit und unser Priesterseminar in Chalki bleibt noch immer geschlossen, so dass wir unseren Nachwuchs nicht ausbilden können. Die Metropoliten von Deutschland, Italien, der Schweiz und ich gehören zu der letzten Generation, die in Chalki als Priester ausgebildet wurden. Wir sind alle zwischen 70 und 80 Jahre alt. Alle Metropolien (orthodoxe Bistümer, Anm. d. Red.) in Europa brauchen neue Oberhäupter. Seit fast 50 Jahren hat uns die Türkei mit der Schließung des Priesterseminars vom Nachwuchs abgeschnitten.
Wie beurteilen Sie Pläne, die Haghia Sofia, die ehemals eine Kirche war und heute ein Museum ist, in eine Moschee umzubauen?
Ich glaube letztendlich nicht, dass die Haghia Sofia in Konstantinopel (Istanbul, Anm. d. Red.) in eine Moschee umfunktioniert wird. Es liegt im Interesse der Türkei, dass die Kirche ein Museum bleibt. Die Haghia Sophia ist heute ein Museum, zugänglich für die ganze Welt. Und in der Tat kommen jeden Tag Hunderte, wenn nicht Tausende Besucher. Die Türkei erzielt Einnahmen aus dem Eintrittsgeld. Eine Moschee wäre nur für Muslime bestimmt. Es liegt nicht im Interesse der Türkei, sich mit der ganzen christlichen, beziehungsweise der ganzen zivilisierten Welt anzulegen. Wie ich unlängst öffentlich gesagt habe - wenn die Haghia Sofia wieder zu einem Gotteshaus werden soll, dann wenigstens zu einer Kirche, denn das war ursprünglich das Ziel ihrer Erbauer. Die Umwandlung in eine Moschee stünde gegen den Willen der Gründer der türkischen Republik. Mustafa Kemal Atatürk hat die Kirche zu einem Museum gemacht. Wie man es auch dreht und wendet - es ist besser, wenn die Haghia Sofia ein Museum bleibt.
Bartholomaios I., mit bürgerlichem Namen Dimitrios Archondonis, ist seit 1991 griechisch-orthodoxer Ökumenischer Patriarch von Konstantinopel mit Sitz in Istanbul. Er ist der ranghöchste orthodoxe Geistliche weltweit.