Grabpatenschaft
1. November 2010Ein Besuch am eigenen Grab. Für Adelheid Schmitz-Brodam ist das weder seltsam noch traurig. Vor 20 Jahren hat sie eine Patenschaft für das Grab übernommen, in dem sie einmal selbst beerdigt sein wird. "Ich kann mich da sehr gut herein denken, dass ich dann hier bestattet werde. Meinem Mann hat es am Anfang Schwierigkeiten bereitet, aber inzwischen habe ich ihn soweit, dass er es auch so sieht. Ich habe unseren Kindern und Enkeln auch gezeigt, wo das Grab mal sein wird", erzählt die 77-Jährige, die hier mindestens einmal pro Monat nach dem Rechten sieht.
Der alte Friedhof liegt am Rande der Bonner Innenstadt. Hohe Platanen säumen die Wege, monumentale Engelsfiguren und Büsten von Verstorbenen krönen einige der Ruhestätten. Manche Gräber sind mit Moos und Efeu überwachsen, aber die meisten sind sehr gepflegt – vor allem die opulenten Gräber der prominenten Bonner.
Nur ein Emaille-Plättchen…
Adelheid Schmitz-Brodams Grab ist ganz schlicht – mit Buchsbäumen bewachsen, die sie einmal pro Monat beschneidet. Das einzige Schmuckstück ist ein schmiedeisernes Kreuz. Schon jetzt hat die 77-Jährige eine genaue Vorstellung, wie es einmal aussehen soll, wenn sie tot ist: An dem Eisenkreuz soll ein Emaille-Plättchen mit ihrem Namen befestigt werden. Ihre Kinder wüssten Bescheid, sagt sie.
Adelheid Schmitz-Brodam entdeckte das Kreuz unter der verwilderten Grabbepflanzung – damals, als sie die Patenschaft übernahm. 1000 D-Mark hat sie die Restaurierung gekostet. Viel Geld, aber das nimmt sie für ihr privilegiertes Grab gerne in Kauf. Die Instandhaltung des Original-Grabschmucks ist eine der Bedingungen für ein Patengrab. Nur der Name des Verstorbenen kann hinzugefügt werden: etwa durch ein Emaille-Plättchen oder indem der Grabstein umgedreht und der neue Name hinein gemeißelt wird.
Gräber unterhalten kostet viel Geld
Für die Stadt Bonn sind die Patenschaften vor allem aus ökonomischer Sicht interessant, so Peter Kießling vom Grünpflegeamt: "Die Unterhaltung der alten Gräber ist sehr teuer. Wenn die Paten das übernehmen, kann die Stadt Bonn sich eine ganze Menge Geld sparen."
Der alte Friedhof ist 1715 angelegt worden. Anfangs war er nur ein Friedhof für einfachere Menschen und Soldaten. Erst später kamen die Professorengräber hinzu – durch die neu eröffnete Bonner Uni. Außerdem fanden hier im 19. Jahrhundert 80 Engländer ihre letzte Ruhestätte. Die Rheinromantik zog sie ins Rheinland und einige ließen auf ihren Reisen ihr Leben - und liegen jetzt in Bonn.
In Adelheid Schmitz-Brodams Grab liegen schon Bonner aus mehreren Jahrhunderten begraben. Paare werden hier nicht nebeneinander sondern übereinander begraben. "Wer als erster stirbt, wird tief gelegt, der nächste kommt dann oben drüber", sagt sie ohne mit der Wimper zu zucken. Sie hat kein Problem damit, über den Tod zu sprechen.
Friedhof mit Promi-Faktor
Irgendwann einmal wird Adelheid Schmitz-Brodam hier in Nachbarschaft von Berühmtheiten wie Robert und Clara Schumann, Beethovens Mutter Maria Magdalena und Ernst-Moritz-Arndt liegen. In diesen Gräbern kann man als Pate aber nicht beerdigt werden. Knapp 40 Gräber von "Normalsterblichen" bietet die Stadt an – meist entscheiden sich die Paten für die kleineren, denn sie sind billiger in der Unterhaltung. Erworben werden die Gräber aber erst im Moment des Todes, vorher müssen sie die Paten nur pflegen. Manchmal, wenn sie ihr eigenes Grab in Ordnung gebracht hat, geht Adelheid Schmitz-Brodam an den Gräbern der bekannten Bonner spazieren. Aber um den Promi-Faktor geht es ihr nicht. Für sie ist es einfach der schönste Ort, um in Bonn begraben zu werden.
Autorin: Gisela Hartmann
Redaktion: Petra Lambeck