Kulturvereine bekommen immer mehr Zulauf
15. April 2009Es ist kurz vor Mitternacht, aber in Barcelonas Einwandererviertel El Raval sind die Gemüseläden noch geöffnet. Auf der Straße spielen ein paar Kinder Fußball und die pakistanischen Straßenhändler decken sich mit der Ware für die Nacht ein: ein paar Paletten Dosenbier. Ich mag El Raval, weil das quirlige Viertel im immer schickeren Barcelona seinen anarchischen Charme bewahrt hat.
Eintritt nur für Mitglieder
Die Kunst-und Kulturkneipe "Almazen" ist eine Institution in der alternativen Kulturszene Barcelonas. Seit zehn Jahren treten Kabarettisten, Tangotänzer und Clown-Kollektive in dem ehemaligen Schuhgeschäft auf. An den Wänden im Theatersaal kann man noch die Nummern der Schuhkartons erkennen, die hier früher gelagert wurden. In der Bar sitzt man auf Flohmarktstühlen zwischen unverputzten Wänden.
Diese Kneipe sei typisch Barcelona, sagt Alejandro. Wie alle hier ist er "Vereinsmitglied": Getränke gibt es nur auf Vorlage eines Ausweises, der zwei Euro pro Jahr kostet. Seit die Stadt mit Schanklizenzen knausert, entdecken immer mehr Betreiber die Vorzüge des "Klublebens". Auch die Öffnungszeiten können in Vereinslokalen viel flexibler gehandhabt werden.
Über der Straße am Klub hängt ein drei Meter hohes Lichterkettenherz, das in der Nacht leuchtet. Kneipenwirtin Lola ist diejenige, die das Herz ein- und ausschaltet. "Und je nachdem in welcher Stimmung ich bin, lasse ich es blinken oder still stehen", lacht sie. Das Herz sei ein Dankeschön an Macarena, die Besitzerin dieses Kulturvereins. Sie habe viel für das Viertel getan, habe sich dafür eingesetzt, dass es eine Fußgängerzone gibt und ein Festival veranstaltet, bei dem Rollläden bunt gestrichen und Blumen gepflanzt worden seien, sagt Lola.
Flohmarkt, Kneipe und Kino
Ein anderer Kulturverein in Poble Sec ist das "Maumau". Auch hier komme ich nur mit einem Ausweis hinein - oder wenn ich mich auf einer Liste als künftiges Mitglied eintragen lasse. Mitbegründer Àlex Costa schnappt sich ein Bier und setzt sich auf eines der ausladenden weißen Sofas der Lounge. "Es geht uns nicht um Exklusivität im Sinne von Elite", sagt er. Sondern der Geschmack entscheide.
Am Wochenende verwandelt sich die weitläufige alte Lagerhalle in einen Vintage-Flohmarkt oder in das improvisierte Festspielhaus eines Undergroundfilmfestivals: Das "Maumau" bedient ein Publikum, das sich selbst als "urbane Kreativ-Elite" bezeichnen würde: Künstler, Graphikdesigner und Filmemacher.
Auf den weißgetünchten Wänden flimmern nicht nur künstlerisch ambitionierte Videoprojektionen, sondern ab und zu auch ganz profane Fußball-Spiele: Immer dann, wenn Barça, der FC Barcelona, in der Champions League antritt. "Anfangs gab es Beschwerden: 'Wie könnt ihr als Kulturverein Fußball zeigen?' Dabei gibt es großartige Bücher über Fußball; und Barça spielt schon eine besondere Rolle in Barcelona und Katalonien", erklärt Àlex Costa.
Barcelonas besonderer Charme
Um fünf Uhr morgens ist das Lichterkettenherz in der Carrer Guifré aus, die Straßen gehören jetzt den Kehrmaschinen der Stadtverwaltung. In anderen europäischen Städten mag vielleicht länger gefeiert werden - dafür hat Barcelona die findigeren Unternehmer, die mit ihren Kulturvereinen das Nachtleben verschönern.
Autorin: Julia Macher
Redaktion: Julia Kuckelkorn
Adressen:
Almazen
c. Guifré, 9 bajos
08001 Barcelona
Tel.: 0034-93-4426215
Maumau
Fontrodona 35
08004 Barcelona
Tel.: 0034-93-4418015