Partnerschaft auf Augenhöhe
8. Februar 2009Der Stellvertreter Brack Obamas versprach den europäischen Verbündeten und Russland einen grundlegenden Wandel der Beziehungen sowie ein Ende politischer und militärischer Alleingänge und machte der Welt so Hoffnung auf mehr Sicherheit und Frieden. Damit kam Joe Biden auch einem Wunsch von Bundeskanzlerin Merkel nach, die ihn zuvor in einem Vieraugengespräch genau darum gebeten hatte. Biden und andere US-Spitzenpolitiker ließen auf der Münchner Sicherheitskonferenz aber keinen Zweifel daran, dass sie von Europa mehr Anstrengungen erwarten. Mit Russland soll wieder auf Augenhöhe gesprochen werden. So stellt Washington Moskau eine neue Kooperation in Aussicht. " Es ist an der Zeit den 'Reset'-Knopf zu drücken, alle Felder anzusehen wo wir zusammenarbeiten können und sollten" bot Biden an. Töne, die besonders beim stellvertretenden russischen MInisterpräsidenten Sergej Iwanow "sehr positiv" aufgenommen wurden. Insgesamt bekam die Mannschaft von US-Präsident Barack Obama während der dreitägigen Konferenz viel Beifall für die Bereitschaft, neue Lösungsansätze an den Brennpunkten der Welt zu verfolgen und eigenes, bisheriges Verhalten selbstkritisch zu beleuchten.
Der Vizepräsident stellte die Prinzipien der neuen amerikanischen Außenpolitik vor: "Die gute Nachricht ist: Amerika wird mehr tun. Die schlechte Nachricht ist: Amerika wird auch von seinen Partnern mehr verlangen." In Afghanistan wollen die USA mehr für den Wiederaufbau tun und mehr Truppen schicken. In direkten Gesprächen soll der Iran überzeugt werden, dass sich der Verzicht auf die Atombombe und ein Ende der Terror-Finanzierung wirtschaftlich und politisch auszahlen. Mit Russland sollen neue Verhandlungen über die nukleare Abrüstung aufgenommen werden. Außerdem ist Präsident Obama bereit, die Pläne für ein globales Raketenabwehrsystem, das die russische Führung als Bedrohung empfindet, überprüfen zu lassen.
Wir haben Fehler gemacht
Im Kampf gegen radikalislamische Taliban, El-Kaida-Kämpfer und Drogenhändler in Afghanistan räumten die USA Fehler ein. Obama lässt deshalb die Strategie für die von der NATO geführte Schutztruppe ISAF, die derzeit 55.000 Soldaten umfasst, überarbeiten. Anders als in den Vorjahren forderten die USA allerdings keine Aufstockung der deutschen Truppen am Hindukusch. Seine amerikanischen Gesprächspartner hätten keinen derartigen Wunsch geäußert, machte Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung deutlich. "Wir haben uns zu sehr auf den militärischen Teil konzentriert", sagte Obamas Sicherheitsberater James Jones. "Wir bezahlen jetzt den Preis dafür."
Der afghanische Präsident Hamid Karsai, den die neue US-Regierung für überfordert hält, warb um die weitere Unterstützung für sein von Bürgerkriegen geschundenes Land. Er beklagte am Sonntag zugleich Todesopfer unter Zivilisten durch Angriffe der ausländischen Truppen. Ihnen warf er in einer von scharfer Kritik geprägten Rede mangelnden Respekt vor der afghanischen Bevölkerung vor. Er bekundete den Willen zur Versöhnung mit allen gemäßigten Taliban. Sonst werde es keinen Frieden in Afghanistan und keinen Erfolg der NATO geben, mahnte Karsai. Biden und Jones wandten sich ausdrücklich an die Verbündeten, Ideen für die Afghanistan-Strategie einzubringen: "Wir werden genau zuhören", betonte Jones.
Krisenherd Nahost
Der US-Kommandeur für den Nahen und Mittleren Osten, General David Petraeus, legte in München erste Pläne der US-Regierung vor und kündigte auch an, "jedes einzelne Land" nach möglicher zusätzlicher Unterstützung zu fragen. Derweil mauert der Iran weiter im Streit über sein Atomprogramm - unbeeindruckt auch vom jüngsten Gesprächsangebot Obamas. Biden, Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy, Großbritannien und Bundeskanzlerin Angela Merkel drohten der Führung in Teheran mit schärferen Strafmaßnahmen, sollte sie nicht einlenken. Der Iran reichert Uran an, dies ist - so wird allgeien befürchtet - ein entscheidender Schritt auf dem Weg zur Atombombe. Der ehemalige iranische Chefunterhändler und heutige Parlamentspräsident Ali Laridschani hatte die Konferenz gleich zum Auftakt am Freitag (06.02.2009) mit Zweifeln am millionenfachen Mord an den Juden durch die Nazis brüskierte. Gleichzeitig attackierte er die USA für deren Nahostpolitik, die Tod und Unterdrückung in die Region bringe. Die USA wollen ihre Beziehungen zum Iran überprüfen. Trotzdem stellte Biden klar: "... wir sind bereit, mit dem Iran zu reden." "Wenn ihr den jetzigen Kurs fortsetzt, dann werden Druck und Isolierung weitergehen. Gebt das illegale Atomprogramm und die Unterstützung des Terrorismus auf und es wird bedeutende Anreize geben."
Ein echter Fortschritt zeigte sich während der Konferenz im Verhältnis zwischen den USA und der NATO auf der einen und Russland auf der anderen Seite. Die Führung in Moskau ist bereit, ihre Atombomben zu verschrotten. Außenminister Sergej Lawrow erwartet baldige Abrüstungsgespräche mit der neuen US-Regierung. Russland musste bei allen Gesten der Versöhnung auch Kritik für den Krieg mit Georgien und den jüngsten Gas-Lieferausfall einstecken. Biden bot in seiner Grundsatzrede dem Kreml den Dialog an. Die USA und Russland hätten viele gemeinsame Interessen. Im Streit um die geplante amerikanische Raketenabwehr in Mitteleuropa sagte Biden, sein Land wolle das System zwar weiterentwickeln - allerdings nur, wenn es technisch sinnvoll und machbar sei und nicht zu teuer werde. "Wir werden dieses in Abstimmung mit unseren NATO-Verbündeten und Russland tun." 2007 hatte der damalige russische Präsident Wladimir Putin in München wegen der Pläne eine Rede von schneidender Schärfe gegen den Westen gehalten, die als Beginn einer neuen Eiszeit gewertet worden war.
Wohin mit den Guantánamohäftlingen?
Für die Auflösung des US-Gefangenenlagers Guantánamo auf Kuba bat Biden um Aufnahme von Häftlingen, ging dabei aber nicht ins Detail. Für die Zukunft betonte er: "Amerika wird nicht foltern." Bundeskanzlerin Merkel mahnte zum 60. Geburtstag der NATO am 4. April eine neue strategische Ausrichtung des Bündnisses an. Sie machte sich für Konzept der "vernetzten Sicherheit" stark. Die NATO sei zwar ein militärisches Bündnis, genauso entscheidend sei aber, alle Aspekte des zivilen Wiederaufbau eines Landes zu berücksichtigen. Merkel nannte die NATO den "zentralen Anker des transatlantischen Bündnisses".
Seit Freitag (06.02.2009) hatten 350 meist hochkarätige Gäste in München beraten. Demonstrationen von mehreren tausende Gipfelgegnern blieben überwiegend friedlich. Die Polizei zog ein positives Fazit. Insgesamt seien am Wochenende 17 Demonstranten festgenommen worden. Allein 14 von ihnen hatten einer der Kundgebung von NATO-Gegnern am Samstag teilgenommen. Bei einer Rangelei seien dabei drei Menschen leicht verletzt worden, unter ihnen eine Polizeibeamtin. An der Veranstaltung auf dem Münchner Marienplatz hatten sich am Samstagnachmittag bis zu 3500 Menschen beteiligt. Zu der Kundgebung und dem anschließenden Demonstrationszug hatte ein Aktionsbündnis mehrerer pazifistischer und globalisierungskritischer Organisationen aufgerufen. Wegen der Sicherheitskonferenz im Hotel "Bayerischer Hof" waren rund 3500 Polizisten in der bayerischen Landeshauptstadt am Wochenende im Einsatz.