EU und Afrika: Suche nach neuer Partnerschaft
29. November 2017Vor zwei Jahren trafen sich europäische und afrikanische Regierungschefs auf halber Strecke, auf der Mittelmeerinsel Malta, um vor allem über die Abwehr von Migration zu reden. Von den damaligen Versprechen wurden nur einige eingelöst, was allerdings für beide Seiten gilt. Wenn jetzt die EU-Spitzen zum Gipfeltreffen mit ihren afrikanischen Kollegen nach Abidjan reisen, will man die Ziele weiter stecken. Die Rede ist von einer neuen Partnerschaft, bei der Europäer und Afrikaner unterschiedliche Ziele haben. Bis 2050 wird sich die Bevölkerung Afrikas verdoppelt haben. Die Europäer wollen vor allem die Bedrohung durch ungeordnete Zuwanderungsströme abwenden, indem sie Entwicklung und bessere Zusammenarbeit vor Ort stärken. Die Afrikaner wiederum verlangen Politik auf Augenhöhe und Anerkennung als Partner. Es ist eine schwierige Balance.
Probleme gemeinsam lösen
"Ich glaube, wir müssen unsere Probleme gemeinsam lösen", sagt Antonio Tajani, der Präsident des Europaparlaments, vor dem Treffen im Interview mit der DW. Tajani listet die Themen auf: "Immigration - das ist für beide Seiten ein Problem", das gleiche gelte für Terrorismus, Jugendarbeitslosigkeit und Folgen des Klimawandels. Europäer und Afrikaner seien davon betroffen und müssten Hand in Hand arbeiten. Dabei gehe es bei diesem Gipfel nicht nur um das gemeinsame Familienfoto, sondern um eine echte Suche nach Lösungen.
In rund 30 Jahren werde es über zwei Milliarden Afrikaner geben. Millionen von ihnen würden sich auf den Weg nach Europa machen, wenn nicht jetzt die Probleme Afrikas vor Ort angepackt würden, glaubt Tajani. Die Jugend steht deshalb auch im Mittelpunkt der Diskussionen in Abidjan. Schon jetzt ist Afrika weltweit der jüngste Kontinent. "Afrika muss seinen jungen Menschen eine Zukunft garantieren können", sagt der EU-Vertreter.
Man brauche einen Marshallplan, wie er bereits nach dem letzten G20-Gipfel von Deutschland diskutiert wurde, betont der Parlamentspräsident. Die EU könne keine Wunder bewirken, müsse sich aber viel stärker engagieren. Europa ist nach wie vor der größte Geber von Entwicklungshilfe - rund 20 Milliarden Euro im vergangenen Jahr. Gleichzeitig nahmen afrikanische Staaten etwa 21 Milliarden Euro durch Überweisungen ihrer Bürger in ihre Heimat ein. Deshalb weigern sich auch viele Länder, ihre Migranten wieder aufzunehmen, wenn sie aus Europa zurück geschickt werden - sie sind schließlich ein gutes Geschäft.
Mit 32 Milliarden Euro sind dagegen die Direkt-Investitionen der EU in Afrika verhältnismäßig bescheiden. Die afrikanische Seite hofft auf deutlich mehr Geld und Engagement. Der Chef der Europäischen Investitionsbank, Werner Hoyer, entwirft den Plan einer speziellen Bank für Afrika, wo Kredite und Bürgschaften für Projekte gebündelt werden könnten. Die bisherige kleinteilige Entwicklungszusammenarbeit soll auf eine neue Ebene gehoben werden. Wie schnell das allerdings geht, und wieviel Geld die Europäer dafür wirklich zur Verfügung stellen werden, ist offen - trotz der großen Worte über einen Marshallplan, der von Deutschland, Italien, Spanien und Frankreich unterstützt wird.
Bessere Regierungsführung ist die Basis
"Mit Entwicklungshilfe ohne Konditionen rollt man vielfach den roten Teppich für Diktatoren aus", sagt Denis Mukwege, Arzt und Aktivist aus dem Kongo, im Interview mit der DW. Und man wisse sehr wohl, dass sie ihre Bürger verhungern lassen, bei Wahlen betrügen, die Verfassungen ändern und jeden Respekt der Europäer verlieren. Aber Demokratie und gute Regierungsführung seien nicht rein europäische Rezepte. Sie gehörten zum Erbe der Menschheit und damit auch nach Afrika. Die Beziehungen zwischen Afrika und Europa müssen unbedingt auf solche Werte gegründet werden, betont Mukwege.
Der Arzt wurde berühmt für seine Arbeit und seinen Einsatz für Frauen im Kongo, die bei Kriegshandlungen und Unruhen massenhaft missbraucht und misshandelt werden. Er sieht viele afrikanische Herrscher sehr kritisch: "Wenn man sich manche afrikanischen Länder heute anschaut, dann entstehen ihre Probleme nicht aus einem Mangel an menschlichen oder materiellen Ressourcen, sondern durch schlechte Regierung."
Darüber hinaus müsse Afrika sich aus der Rolle des ewigen Bettlers befreien, fordert Mukwege. Es gebe einen Zusammenhang zwischen Frieden, Sicherheit und Entwicklung, aber das sei nur auf der Basis von Demokratie und guter Regierungsführung möglich.
Auf Augenhöhe mit Afrika
"Die Vision hat sich verändert, man will jetzt mit den afrikanischen Vertretern zusammen arbeiten. Es geht um das Entstehen einer wirklichen Partnerschaft", erklärt der Präsident der Zentralafrikanischen Republik, Faustin Touadera im Interview mit der DW. "Denkt man an die Jugend und die Frage der Migration, dann hängt sie direkt mit dem Mangel an Entwicklung zusammmen." Man brauche Investitionen etwa in das Bildungswesen, die Produktivität der Landwirtschaft, die Wasserversorgung. Und man müsse der Jugend eine Perspektive geben, denn unter den gegenwärtigen Umständen, glaubt der Präsident, sei die unkontrollierte Migration ein natürliches Phänomen.
Touadera will vor allem Direkt-Investitionen aus dem Ausland anziehen und räumt ein, dass dafür die Bedingungen vor Ort verbessert werden müssten. "Wir haben unsere Verantwortung, aber wir brauchen auch Unterstützung durch unsere Partner, nachdem wir gemeinsam entschieden haben", erklärt der Präsident. Er lobt die Idee eines Marshallplanes für Afrika, mit dem durch massive Investitionen viele der Probleme des Kontinents gelöst werden könnten.
Aber die Hoffnung auf schnelle und umfangreiche Finanzzusagen aus der EU könnte trügen: Ein Blick auf die Landkarte zeigt die große Zahl der unter hausgemachten politischen Krisen, Korruption und Misswirtschaft leidenden Staaten. Die Erwartungen der afrikanischen Länder an das Gipfeltreffen sind hoch, die Neigung der Europäer, in unsichere Staaten Milliarden zu investieren ist gebremst. Die neue Partnerschaft wird ein längerer Prozess mit vielen Einzel-Schritten werden.